Können Sie Ihre Kunden nach dem Öffnen der Verpackung zum Kauf Ihrer Ware verpflichten?

Koennen-Sie-Ihre-Kunden-nach-dem-Oeffnen-der-Verpackung-zum-Kauf-Ihrer-Ware-verpflichtenHaben Sie sich als Inhaber eines Geschäftes auch schon öfters gefragt, wie Sie mit Kunden umgehen, die Ihre Waren aus der Verpackung nehmen, um sie in Augenschein zu nehmen und sie anschließend wieder zurückzulegen? Können Sie Ihre Kunden nach dem Öffnen der Verpackung zur Abnahme der Ware verpflichten?

Ein Grundsatzurteil des Oberlandesgerichtes Düsseldorf (6 U 45/00) bringt nun Licht ins Dunkel. Die Antwort lautet grundsätzlich „nein“. In dieser Hinsicht müssen Sie jedoch viele Begebenheiten und Umstände beachten. Nicht in jedem Fall können sich Ihre Kunden auf dieses Grundsatzurteil verlassen. Der Sachverhalt lässt sich am besten durch ein paar Beispiele erklären.

Beispiel 1

Sie sind Inhaber eines Supermarktes und sehen, wie ein Kunde ein Glas Honig und eine Wurstpackung öffnet. In diesem Fall greift das Grundsatzurteil nicht, denn es handelt sich um Lebensmittel, die hygienischen und gesundheitlichen Vorschriften unterliegen. Nach dem Öffnen der Ware werden die Lebensmittel unverkäuflich. Sie sind berechtigt, von dem Kunden die Erstattung des vollen Kaufpreises in Form eines Schadenersatzes gemäß § 309 BGB zu verlangen, da Ihnen durch die anschließende Unverkäuflichkeit der Ware ein Schaden entstanden ist. Diese Schadenersatzforderung kommt einer juristischen Verpflichtung zur Abnahme der Ware nach dem Öffnen der Verpackung gleich. Das Verhalten des Kunden kommt einem Probieren oder Testen der Ware gleich. Dies ist jedoch nur dann gestattet, wenn Sie Ware ausdrücklich für diesen Zweck zur Verfügung stellen. Rein juristisch gesehen macht sich der Kunde neben der Schadenersatzforderung auch noch strafbar, wenn er die Ware einfach wieder unbemerkt ins Regal zurückstellt. Da es sich in dieser Hinsicht jedoch um Bagatellwerte handelt, sehen die meisten Ladeninhaber von einer juristischen Verfolgung ab und belegen diese Kunden mit einem Hausverbot. Bagatellsachen werden nur auf Antrag verfolgt (§ 242, 246 StGB).

Beispiel 2

Sie sind Inhaber eines Supermarktes. Sie sehen, wie eine Mutter die Tafel Schokolade öffnet und ihrer Tochter ein Stück zum sofortigen Verzehr gibt. Sie öffnet eine Flasche Wasser, um einen Schluck zu trinken und legt sie anschließend in den Einkaufswagen. Nach ein paar weiteren Besorgungen stellt sie sich an der Kasse an, um die Waren zu bezahlen. Juristisch gesehen stellt das Verhalten der Mutter ein Problem dar, da Sie vor dem Bezahlen noch nicht Eigentümerin der Ware ist, da die Eigentumsübertragung erst mit dem Bezahlen an der Kasse (§§ 116, 145 BGB) stattfindet. Vorher verbleibt die Ware in Ihrem Eigentum. Erst nach dem Bezahlen der Ware darf die Mutter vollständig darüber verfügen (§§ 854, 929 BGB) und die Verpackung bzw. die Flasche öffnen. Rechtlich gesehen liegt der objektive Tatbestand des fahrlässigen Diebstahls vor, der nicht strafbar ist, da der subjektive Tatbestand des Vorsatzes (§§ 276, 278 BGB) fehlt, der sich durch das Bezahlen der Ware erledigt. Dieses Verhalten lässt sich in fast allen Supermärkten beobachten, das mittlerweile zu einer Art Gewohnheitsrecht und zu einer allgemeinen akzeptierten sozialen Verhaltensweise geworden ist. Da Sie ein kundenfreundlicher Ladeninhaber sind, tun Sie gut daran, dieses Verhalten zu akzeptieren, solange die Kauf- und Bezahlabsicht der Kundin eindeutig ist.

Beispiel 3

Sie führen ein Geschäft für Hi-Fi- und Elektronikgeräte. Ein Kunde nimmt einen DVD-Player aus dem Regal und öffnet die Verpackung, um das Gerät in Augenschein zu nehmen. Anschließend packt er das Gerät wieder ein und stellt es zurück ins Regal. Das Klebeband schließt jedoch nicht mehr richtig, so dass die Packung nicht mehr komplett verschlossen ist. Die Verpackung selbst ist nicht beschädigt und das gerissene Klebeband können Sie ohne großen Aufwand durch ein neues ersetzen und die Verpackung damit wieder vollständig schließen. Juristisch gesehen könnten Sie von dem Kunden Schadenersatz (§ 309 BGB) für die Wiederherstellung der Verpackung verlangen. Da Verpackungen in der Regel aus preiswertem Material bestehen und sich der Wert des Klebebandes kaum berechnen lässt, sehen Sie als kundenfreundlicher und serviceorientierter Geschäftsmann von diesem Recht ab. Es sollte für die Kunden selbstverständlich sein, dass sie die Verpackung vorsichtig und nicht grob fahrlässig öffnen, so dass die Wiederherstellung jederzeit möglich ist. Ansonsten liegt eine Sachbeschädigung ohne Vorsatz vor (§§ 276, 823 BGB i. V. m. § 15 StGB). Angesichts dieser Bagatellsache sehen Geschäftsinhaber regelmäßig von ihrem Recht auf Schadenersatz ab. Ist die Umverpackung des CD-Players durch das Öffnen so beschädigt, dass sie nicht mehr verwendet werden kann, ist es Ihnen möglich, diese durch eine neue zu ersetzen.

Das Öffnen der Verpackung mindert die Beschaffenheit der Ware nicht

Gesetzlich gesehen wird die Verpackung als Nebenpflicht des Kaufvertrages (§ 280 BGB), der durch den Erwerb der Ware zustande kommt, eingestuft. Die wichtigste Frage ist demzufolge, ob Sie die Ware nach dem Öffnen der Verpackung als neuwertig und ohne Wertminderung verkaufen können. Ihre Hauptverpflichtung besteht in der Übergabe einer mängelfreien Ware (§ 433 BGB). Eine Ware ist dann neuwertig, wenn sie die vereinbarte, vorausgesetzte und übliche Beschaffenheit vorweist. Somit wirkt sich eine beschädigte Verpackung nicht auf die gesetzliche Definition der neuwertigen Beschaffenheit der Ware aus und Ihre Kunden sind nicht verpflichtet, Ihnen die Ware nach dem Öffnen der Verpackung abzunehmen. Ein Kaufvertrag kommt erst durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen (§ 145 BGB) zustande, die nicht schon alleine aufgrund des Öffnens der Verpackung als eine Form des konkludenten Handelns (§ 116 BGB) vorliegt.

Discounter wie Aldi und Lidl bieten regelmäßig Sonderangebote an. Die Kunden nehmen die Ware aus den Verpackungen, um sie in Augenschein zu nehmen. Anschließend legen sie die Ware mit Verpackung zurück. Oft ist eine Verpackung auch nicht mehr vorhanden. Die Ladeninhaber und die angesprochenen Verkehrskreise akzeptieren dieses Verhalten ausdrücklich stillschweigend (§ 116 BGB). Es kommt zudem auf die Mengenabgabe an. Eingeschweißte Trinkflaschen im Sechserpack dürfen die Kunden einzeln entnehmen, da allgemein bekannt ist, dass die Abnahme einer Mindestmenge nicht vorgeschrieben ist. Liegt eine Mengenangabe betreffend die Warenabnahme vor, müssen sich die Kunden daran halten und dürfen der Verpackung einzelne Produkte nicht entnehmen.

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