Vertragsfreiheit

VertragsfreiheitVerträge sind im rechtsgeschäftlichen Verkehr von zentraler Bedeutung. Der einvernehmliche und rechtlich abgesicherte Austausch von Sach- und Dienstleistungen auf Vertragsbasis stellt geradezu das Fundament des Wirtschaftslebens dar. Dementsprechend sind die für die Gestaltung von vertraglichen Rechtsverhältnissen einschlägigen Rahmenbedingungen von großer Bedeutung.

Grundsatz der Vertragsfreiheit

Im Prinzip basieren die für die Wirtschaft im Vordergrund stehenden privatrechtlichen (und unter Vorbehalt auch öffentlich-rechtlichen) Verträge auf dem Gedanken, dass ein Rechtsgeschäft als Rechtsfolge von zwei aufeinander gerichteten, übereinstimmenden Willenserklärungen (Angebot und Annahme) zustande kommt. Dabei ist es grundsätzlich gleichgültig, ob es sich bei diesem Vertrag um einen Miet-, einen Kauf-, einen Werk-, einen Dienstvertrag oder eine andere Vertragsform handelt. Als Ausfluss von Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes („Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit“), der die allgemeine Handlungsfreiheit festschreibt, gilt die Privatautonomie als Basis des Vertragsrechts. Danach ist es jeder privaten und juristischen Person unbenommen mit jeder anderen Person einen vom Vertragsinhalt frei bestimmbaren Vertrag in beliebiger Form abzuschließen. Die in die Grundsätze von Abschluss-, Inhalts- und Formfreiheit unterteilte Vertragsfreiheit erfährt aber eine im Grundgesetz in Art. 2 I 2. Halbsatz GG normierte Einschränkung durch den die Rechte Dritter schützenden Gesetzesvorbehalt und durch das Gebot, nicht gegen Sittengesetz und Verfassungsordnung verstoßen zu dürfen.

Abschlussfreiheit

Grundsätzlich darf jeder sich seine Partner für den Vertragsschluss („Kontrahierung“) frei aussuchen. Allerdings gibt es in zweierlei Hinsicht wesentliche Ausnahmen. In bestimmten Fällen besitzt der Anbieter von Leistungen nicht das Recht, den Vertrag nicht abzuschließen („negative Vertragsfreiheit“), sondern unterliegt dem Kontrahierungszwang. Das ist vor allem dann der Fall, wenn die angebotenen Leistungen zur Daseinsvorsorge (z.B. Wasserversorgung, Post, Nahverkehr) gehören oder der Anbieter sich in einer Monopol-Stellung (z.B. einzige Tankstelle im weiten Umkreis) befindet. Auf der anderen Seite können Rechtsvorschriften den Kreis der Vertragspartner beschränken (z. B. Altersbeschränkungen beim Schnaps-Verkauf, Waffenverkauf nur an Inhaber von Waffenbesitzkarten).

Als Teil der Vertragsfreiheit besteht das grundsätzliche Recht, sich auch wieder vom Vertrag lösen zu dürfen. Diese Aufhebungsfreiheit muss allerdings in dem jeweiligen Vertrag festgelegt worden sein oder muss nachträglich von den betreffenden Vertragspartner einvernehmlich vereinbart worden sein.

Inhaltsfreiheit

Die Vertragspartner sind bei der Gestaltung des Vertragsinhalts grundsätzlich vollkommen frei. Die Vertragspartner müssen sich in der Regel nicht an typischen Vertragstypen orientieren, sondern können neue, atypische Verträge, die etwa Elemente der Miete, des Kaufes und des Dienstvertrags verbinden, schaffen. Die gestaltende Vertragsfreiheit stößt immer dann an ihre Grenzen, wenn der Vertragszweck gegen Strafgesetze oder die guten Sitten sowie die verfassungsmäßige Ordnung verstößt. In der Praxis von besonderer Bedeutung sind aber vor allem arbeitsrechtliche, verbraucherschutz- und wettbewerbsrechtliche, erb- und mietrechtliche Beschränkungen sowie durch Allgemeine Geschäftsbedingungen (§ 305 BGB) festgelegte Vorgaben. Ferner können bei Verträgen, die sachenrechtliche Sachverhalte (z. B. Hypothek, Nießbrauch, Reallast) zum Gegenstand haben, nur bestimmte Gestaltungsformen gewählt werden („Typenzwang“).

Formfreiheit

Zur Vertragsfreiheit gehört auch, dass Verträge grundsätzlich sowohl mündlich als auch auf dem berühmten „Bierdeckel“ dokumentiert Rechtswirksamkeit entwickeln. Allerdings gibt es auch von diesem Grundsatz der Vertragsfreiheit erhebliche Ausnahmen. Insbesonder bei Grundstücksgeschäften ist das der Fall: Ein Grundstücksveräußerungsvertrag ist nur bei notarieller Beurkundung gültig. Aber auch bei Haustürgeschäften, Schenkungen, Bürgschaften, bestimmten Mietverträgen und Erbverträgen sind Formvorschriften zu beachten. Die in der Öffentlichkeit fälschlicherweise häufig wegen der standesamtlichen Bestätigung als hoheitlicher Akt wahrgenommene Eheschließung ist auch ein privatrechtlicher Vertrag, für dessen Gültigkeit bestimmte Formalien eingehalten werden müssen.

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