Arbeitgeber haften für die Sozialversicherungsbeiträge ihrer Beschäftigten

Arbeitgeber-haften-fuer-die-Sozialversicherungsbeitraege-ihrer-BeschaeftigtenAuch wenn der Arbeitgeber nur für die Hälfte der aus einem Beschäftigungsverhältnis zu entrichtenden Sozialversicherungsbeiträge aufzukommen hat, so ist er Beitragsschuldner Kraft Gesetzes. Er haftet für den gesamten Sozialversicherungsbeitrag (§ 28 SGB), und zwar auch dann, wenn die Entrichtung aufgrund des Verschuldens des Arbeitnehmers unterbleibt. Es liegt eine grundsätzliche Arbeitnehmerhaftung vor. Bleibt die Entrichtung der Sozialversicherungsbeiträge offen, nehmen die Sozialversicherungen den Arbeitnehmer dennoch nicht in Regress.

Was passiert mit offenen Sozialversicherungsbeiträgen?

Stellen die Sozialversicherungen offene Beitragszahlungen für bereits abgelaufene Beschäftigungszeiträume fest, kann es für den Arbeitgeber durchaus teuer werden. Dieser darf ausschließlich zeitlich begrenzt auf das Beschäftigungsentgelt des Arbeitnehmers zurückgreifen, um den offenen Teil zur Sozialversicherung einzuziehen. Arbeitgeber sind berechtigt, sich auf die Angaben ihrer Beschäftigten zu berufen, selbst wenn diese falsch sind. Das Vertrauen in die Angaben seiner Beschäftigten kann einen Arbeitnehmer vor offenen Beitragsforderungen der Sozialversicherungen schützen und ihm einen längerfristigen Zugriff auf das Entgelt der Arbeitnehmer sichern. Mit Beginn des Beschäftigungsverhältnisses beurteilen Arbeitgeber erstmalig die Verpflichtungen gegenüber den Sozialversicherungen.

Beispiel 1

Stellt ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer auf Basis eines Minijobs in Höhe von 450 Euro ein und verschweigt dieser ihm vorsätzlich die Ausübung eines weiteren Minijobs, ist der Arbeitgeber vor den Beitragsforderungen der Sozialversicherungen geschützt. Ein weiteres sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis wird erst für die Zukunft festgestellt.

Beispiel 2

Stellt ein Arbeitnehmer einen Abiturienten für zwei Monate als Aushilfe an, liegt dann keine Berufstätigkeit vor, wenn diese Aushilfe angibt, zum nächstmöglichen Zeitpunkt studieren zu wollen. Der Arbeitgeber meldet eine nicht werktätige Aushilfsbeschäftigung bei der Minijobzentrale an. Bei einer Betriebsprüfung stellt sich heraus, dass diese Aushilfe im Anschluss an diese kurzfristige Beschäftigung eine Berufsausbildung absolviert und das Studium nicht wie beabsichtigt angetreten hat. Dieses Ereignis liegt nicht im Einflussbereich des Arbeitgebers. Er ist nur zu Beginn des Beschäftigungsverhältnisses verpflichtet, die Angaben der Aushilfe auf Richtigkeit zu überprüfen. Maßgeblich für die Einstufung zu einer Berufsausübung ist die Situation zum Zeitpunkt der Einstellung. Die Aushilfe konnte noch keinen Nachweis der Hochschule erbringen. Der Arbeitgeber ist nicht dazu verpflichtet, diese Situation regelmäßig auf Veränderung zu überprüfen. Die Sozialversicherungen sind demzufolge nicht berechtigt, von dem Arbeitgeber nachträgliche Beitragssätze für das Beschäftigungsverhältnis zu fordern. Wäre die Aushilfe zum Zeitpunkt der Einstellung nachweislich berufsmäßig beschäftigt gewesen, etwa durch Bezug von Arbeitslosengeld oder aufgrund eines Minijobs, wären Beiträge zur Sozialversicherung angefallen.

Das Lohnabzugsverfahren regelt das Innen- und Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Der Arbeitnehmer als Beitragsschuldner gegenüber den Sozialversicherungen zieht auf dieser Grundlage den Sozialversicherungsanteil der Arbeitnehmer von deren Bruttogehalt ab. Der Arbeitgeber hat demzufolge einen Rechtsanspruch gegenüber dem Arbeitnehmer auf die Höhe der zu zahlenden Sozialversicherungsbeiträge.

Wie lange dürfen Beitragsnachforderungen gestellt werden und wer haftet dafür?

Unterbleibt der Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses aufgrund eines Rechtsirrtums, ist eine Nachzahlung ausschließlich innerhalb des Zeitraumes möglich, indem die drei nächsten Entgeltzahlungen fällig werden. Andernfalls ist der Arbeitgeber verpflichtet, die auf den Arbeitnehmer entfallenden Beiträge zur Sozialversicherung selbst zu tragen. Der Gesetzgeber hat in diesem Fall eine Schutzvorschrift für die Beschäftigten geschaffen. Nach den zivilrechtlichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches steht dem Arbeitgeber kein Rückgriffsrecht gegenüber seinen Arbeitnehmern zu. Dieselbe Rechtssituation entsteht mit Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses oder dem Wegfall von Entgeltzahlungen.

Beispiel 3

Die Entrichtung der Sozialversicherungsbeiträge im Rahmen des Lohnabzugsverfahrens ist für den Monat August 2014 unterblieben. Die nachträgliche Entrichtung ist ausschließlich bis November 2014 mit den folgenden drei Entgeltzahlungen möglich.

Ausdehnung des Lohnabzugsverfahrens

Es besteht jedoch die Möglichkeit, das Lohnabzugsverfahren auszudehnen, wenn die Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen ohne Verschulden des Arbeitgebers unterbleibt. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn …

… der Arbeitgeber unzutreffende Auskünfte des Versicherungsträgers erhält,

… der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber vorsätzlich oder grob fahrlässig falsche Angaben zu seiner Situation macht,

… es sich um Beiträge handelt, die der Arbeitnehmer alleine entrichtet (freiwillige Krankenversicherung)

… es sich um Sachbezüge handelt.

Verschulden des Arbeitgebers

Unterbleibt die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge fahrlässig, schuldhaft oder vorsätzlich, drohen dem Arbeitgeber strafrechtliche Konsequenzen (§ 266 StGB). Besteht eine Bereicherungsabsicht oder werden gefälschte Dokumente vorgelegt, droht eine Haftstrafe von bis zu zehn Jahren, wobei die Haftung nicht ausschließlich auf das Unternehmensvermögen beschränkt ist. Der Arbeitgeber kann auch persönlich zur Haftung herangezogen werden. Führt der Arbeitgeber zu niedrige Beiträge ab, entsteht ein Säumniszuschlag. Werden zu hohe Beiträge entrichtet, betrifft das auch den Arbeitnehmeranteil, denn der Arbeitgeber hat in diesem Fall zu viel Beschäftigungsentgelt einbehalten und dem Arbeitnehmer zu wenig ausgezahlt. Dieser kann gegenüber seinem Arbeitgeber für die zu viel entrichteten Beiträge eine Schadenersatzforderung (§§ 286, 823 BGB) geltend machen.

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