Bringt die Liberalisierung der Märkte Impulse für die Volkswirtschaften und Unternehmen?

Bringt-die-Liberalisierung-der-Maerkte-Impulse-fuer-die-Volkswirtschaften-und-UnternehmenDie Vorgeschichte

Die Liberalisierung der Märkte begann bereits kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Diese weltumspannende Auseinandersetzung, die sich hauptsächlich auf europäischem und russischem Boden mit Japan als Nebenkriegsschauplatz abspielte, änderte die Weltordnung entscheidend. Sie brachte einen ökonomischen Sieger hervor: die Vereinigten Staaten von Amerika. Bis zum Angriff auf ihren hawaiianischen Militärstützpunkt Pearl Harbour waren die USA weit davon entfernt, eine globale Wirtschaftsmacht zu sein. Die Amerikaner konzentrierten sich vor allem auf die wirtschaftliche Lage in ihrem eigenen Land, die vor dem Weltkrieg vor allem von der Großen Depression seit dem nicht minder großen Börsencrash von 1929 geprägt war. Amerika fiel eher durch Isolationismus als durch globales Denken und Handeln auf. Zum Zeitpunkt des Kriegseintritts der USA hatte Präsident Roosevelt die wirtschaftliche Lage durch die Einführung des New Deals zwar entscheidend zum Positiven verändert, es war jedoch noch jede Menge Spielraum nach oben verfügbar.

England war in Gestalt seines weltumspannenden Empire zum diesem Zeitpunkt bereits seit mehreren Jahrhunderten der unantastbare globale Wirtschaftsplayer schlechthin. Die Weltmacht hatte sich jedoch seit ihrem Kriegseintritt im Jahr 1939 durch Kriegskredite bei den USA hoch verschuldet. Mit diesen Kriegskrediten finanzierte England seinen Bedarf an Kriegs- und Wirtschaftsgütern, um sich weiterhin gegen seine Feinde, allen voran Deutschland, wehren zu können. Die Amerikaner waren die großen Gewinner dieses immensen Kriegskonflikts, denn der ständige Bedarf an Rüstungsgütern verschaffte Amerikas Stahlindustrie einen mächtigen wirtschaftlichen und finanziellen Aufschwung. Die Stahlfabriken in Amerikas „Rustbelt“ von Chicago bis New York liefen nach jahrelangem Stillstand endlich wieder auf Hochtouren.

Eine neue globale Wirtschaftsordnung

Bereits kurz nach Kriegsende machten sich viele Staaten daran, eine neue globale Wirtschaftsordnung festzulegen: die Liberalisierung der Märkte. Die Erfahrung der Weltwirtschaftskrise vor und während des Krieges wollten sie nicht wieder machen. Um ihr Ziel zu erreichen, erleichterten die Staaten den inzwischen international dramatisch eingebrochenen Handel durch laterale Abkommen. Die nationalen Regierungen liberalisierten ihre Märkte durch neue und größere institutionelle Rahmenbedingen. 1994 begannen die Staaten den für die Liberalisierung der Märkte wichtigsten Schritt: sie gründeten die Welthandelsorganisation (World Trade Organisation). 76 Staaten wurden Mitglied in diesem Wirtschaftsverbund und gaben zugunsten dieser übergeordneten Dachorganisation nationale Machtbefugnisse ab. Die Mitglieder sind seit dem verpflichtet, sich in vielen Wirtschaftsfragen den Entscheidungen dieses internationalen Wirtschaftsverbundes zu fügen. Die Erfolgsgeschichte der Welthandelsorganisation hat sich bis zum heutigen Tage fortgesetzt, sie umfasst mittlerweile 160 Mitgliedstaaten. Diese Wirtschaftsgemeinschaft hat den freien und ungehinderten Austausch von Waren und Dienstleistungen durch den Abbau von Handelsbeschränkungen als oberstes Ziel festgelegt. Die WTO (WHO) und viele Ökonomen vertreten die Ansicht, dass nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Verbraucher von einer Liberalisierung der Märkte profitieren, indem sie durch den freien und ungehinderten Warenverkehr über die nationalen Grenzen hinaus ein Warenangebot vorfinden, das ihnen der heimische Markt in dieser Vielfalt nicht bietet.

Mit ihren Leitsätzen fordert die WTO, dass nicht ausschließlich ihre Mitgliedstaaten, sondern auch alle anderen Länder ihre Märkte für ausländische Investoren öffnen. Diese Marktliberalisierung bringe eindeutige Impulse für alle beteiligten Volkswirtschaften. Die wachsende internationale Nachfrage und die damit einhergehende erhöhte Käuferschaft stimuliere das wirtschaftliche Wachstum aller beteiligten Marktteilnehmer. Der Wirtschaftsverbund steht in ständigen Verhandlungen mit seinen Mitgliedstaaten, die regelmäßig über weiterführende Liberalisierungsmaßnahmen wie Zollsenkungen, den freien Austausch von Dienstleistungen sowie über den internationalen Umgang mit Urheberrechten, Patenten, Film- und Musikrechten „streiten“. Konflikte zwischen Mitgliedstaaten fallen in die Zuständigkeit von Schiedsgerichten. Die Wirtschaftsvereinigung ist berechtigt, Verstöße gegen beschlossene Vorschriften mit Sanktionen zu belegen. Nicht nur die Welthandelsorganisation arbeitet mit Nachdruck an der weiteren Liberalisierung der Märkte, sondern auch Politiker und Experten. Derzeit verhandeln die USA und Europa über ein nicht unumstrittenes Freihandelsabkommen, das den Zusammenschluss einer Freihandelszone unermesslicher Größe zum Gegenstand hat. Alleine in den letzten fünfzehn Jahren ist der Wert der international gehandelten Güter auf der Grundlage der liberalisierten Märkte um das Doppelte gestiegen. Damit hat dieser Zuwachs das Wachstum der globalen Wirtschaft überholt. Die Liberalisierung der Märkte hat jedoch nicht nur den internationalen Warenaustausch hervorgebracht. Eine große Anzahl von Unternehmen hat sich mit der Eröffnung von Zweigstellen direkt im produzierenden Ausland angesiedelt, was vor der Öffnung der nationalen Märkte für ausländische Investoren nicht möglich war. Im Ausland profitieren die Zweigstellen von vergünstigten Produktionskosten. Gut 80.000 Unternehmen haben sich in der letzten Dekade mit 800.000 Tochterunternehmen im Ausland angesiedelt.

Hat die Liberalisierung der Märkte für die beteiligten Volkswirtschaften das gehalten, was die Ökonomen und die Welthandelsorganisation versprochen haben?

Die Antwort lautet „jein“, also einerseits ja und andererseits nein. Allen voran haben Entwicklungsländer wie China, Indien, Brasilien und Russland von dem globalisierten Handel profitiert. Die Öffnung für die internationalen Märkte und ausländische Investoren hat diesen Ländern positive wirtschaftliche und soziale Impulse gebracht. Diese ehemaligen Entwicklungsländer sind als Wirtschaftsstandort für ausländische Unternehmen durch günstige Herstellungsbedingungen, die sie auf dem Heimatmarkt nicht finden, attraktiv. Der Lebensstandard der betroffenen Bevölkerungen hat sich extrem verbessert, Infrastrukturprojekte konnten umgesetzt und westliche Produktionsprozesse erlernt werden. Diese Länder produzieren und exportieren heute teilweise mehr Waren als jedes andere Land der Welt.

Fazit

Die Globalisierung und die damit einhergehende Liberalisierung der Märkte hat die Bevölkerung von einst wirtschaftlich unterentwickelten Volkswirtschaften mit ihrer Industrialisierung aus der Armut geholt.

Sie hat jedoch nicht nur Gewinner, sondern auch Verlierer hervorgebracht. Sie hat den Wohlstand der Eliten rund um die Welt vermehrt. Diese Wirtschaftselite profitiert von dem internationalen Abbau von Handelsschranken und damit einhergehender Finanzspekulationen. Die reichsten acht Prozent der Weltbevölkerung verdienen so viel wie die übrigen 92 Prozent zusammen. Das kollektive Einkommen der 60 Millionen vermögendsten Menschen weltweit hat einen Wertzuwachs von 60 Prozent erfahren. Die Ungleichheit innerhalb vieler Volkswirtschaften wächst, die Reichen sind in den vergangenen drei Dekaden immer reicher und die Armen immer ärmer geworden. Nur fünf Prozent der Weltbevölkerung lebt in Staaten, in denen die unteren Bevölkerungsschichten in der Lage waren, im internationalen Vergleich aufzuholen.

Die Verlierer der Liberalisierung und der Globalisierung sind die unteren Schichten der Industrieländer und ein Großteil der ausgebeuteten Bevölkerungsschichten in den Entwicklungsländern, an denen der viel besungene Wohlstand der freien Märkte vorbeigeht. Die Einkommen stagnieren, die Beschäftigten sind zu einer international austauschbaren Ware geworden, der Kündigungsschutz wurde gelockert, prekäre Arbeitsverhältnisse unter fragwürdigen Arbeitsumständen wie Kinderarbeit, eklatanten Sicherheitsmängeln und großen Umweltschäden geschaffen, um die Gewinnmargen der Wirtschaftselite weiter zu erhöhen. Der Konkurrenzdruck unter den Fabrikbetreibern nimmt stetig zu, auf Kosten ihrer Beschäftigten unterbieten sie sich gegenseitig im Kampf um den Zuschlag internationaler Aufträge. Für die Ökonomen ist das jedoch ein unvermeidlicher Nebeneffekt, ein Übergangsphänomen. Entscheidend sei jedoch, dass die Weltwirtschaft insgesamt wächst.

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