Die frohe Botschaft zur robusten Konjunktur - Ein Faktencheck

Die-frohe-Botschaft-zur-robusten-Konjunktur-Ein-FaktencheckAktuell freut sich die Politik über eine boomende Wirtschaft, über ein Wirtschaftswachstum von 1,5 Prozent und über so viele sozialversicherungspflichtige Jobs wie noch nie. Außerdem sei die Arbeitslosenquote so niedrig wie zuletzt vor der Wiedervereinigung, die Armut sei besiegt und die Einkommensschere schließe sich. Zudem würden die Konsumenten ihr Geld mit vollen Händen ausgeben, noch nie hätten die Deutschen pro Kopf so viel Vermögen wie heute und die Agenda 2010 sei ein voller Erfolg.

Halten diese froh machenden Botschaften einem „Härtetest“ stand?

Ja, den Beschäftigungsboom gibt es tatsächlich, man muss jedoch hinter die Fassade schauen. Obwohl in Deutschland viele Langzeitarbeitslose mittlerweile in einem Beschäftigungsverhältnis stehen, muss man berücksichtigen, dass es sich dabei um überwiegend prekäre Arbeitsverhältnisse handelt, also um befristete Jobs, die unter den aufgeweichten Kündigungsschutz fallen und von denen die Beschäftigten ohne staatliche Zuschüsse nicht leben können. Hinzu kommen die atypischen Arbeitsverhältnisse (22 %) wie Teilzeitjobs, Mini- und Midijobs, auf die die Arbeitgeber immer öfters zurückgreifen, um Personal- und Sozialversicherungskosten zu sparen. Die durchschnittliche Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden pro Woche sinkt kontinuierlich. Frauen sind durch Armut öfters bedroht als Männer und immer mehr ältere Menschen rutschen trotz vieler Beitragsjahre unter die Armutsgrenze von 980 Euro monatlich. Die Arbeitslosigkeit und atypischen Arbeitsverhältnisse betreffen vor allem Frauen und junge Menschen im Alter zwischen 15 und 24 Jahren, eine Gruppe, unter denen auch viele ohne Berufsabschluss vertreten sind. Laut welt.de beantragen Millionen von Bezugsberechtigten kein Harz IV, aus Scham oder einfach aufgrund der geringen Leistungshöhe und Leistungsdauer, zudem scheuen viele Menschen die damit verbundenen Sanktionen und Stigmatisierung. Diese verdeckt armen Bezugsberechtigten fallen aus der Arbeitslosenstatistik genauso wie Arbeitslose über 55 Jahre, Jugendliche in einer Versorgungs- und Bedarfsgemeinschaft, Langzeitarbeitslose in Harz IV-Maßnahmen und Aufstocker. Leiharbeiter sind aufgrund ihrer kurzen Arbeits- und Entgeltbezugszeiten besonders betroffen, da sie aufgrund geringer Entlohnung und kurzen Beitragszeiten umgehend in Harz IV abrutschen.

Festzustellen bleibt, dass es tatsächlich so viele Erwerbstätige gibt wie nie zuvor, dass jedoch trotzdem mehr Menschen (40 %) von dauerhafter Armut bedroht sind und mehr dauerhaft arm sind. Unter den jungen Menschen (15 bis 24 Jahre) sind 20,5 Prozent akut armutsgefährdet, wobei das durchschnittliche Armutsrisiko regelmäßig ansteigt. Wiederholt lesen wir, dass immer mehr Menschen ihre Miete nicht pünktlich zahlen, die Pro-Kopf-Verschuldung im Gegenzug zum Anstieg des Pro-Kopf-Vermögens rasant steigt und ein Großteil der Menschen auf eine angemessene Raumbeheizung während der kalten Jahreszeit verzichtet. Armut wirkt sich unmittelbar auf die Lebenserwartung und auf den Gesundheitszustand aus. Während Menschen der unteren Einkommensklassen ihren Gesundheitszustand als „schlecht“ bis „weniger gut“ bezeichnen, beobachten Menschen der guten bis sehr guten Einkommensklassen eine gegenläufige Entwicklung. Ihre Lebenserwartung ist durchschnittlich acht bis elf Jahre höher. Diese Feststellungen entspringen nicht etwa der reißerischen Boulevardpresse, sondern dem „Datenreport – Ein Sozialbericht für Deutschland“, dessen empirische Befunde Sozialforscher und Statistiker im Auftrag des Statistischen Bundesamtes zusammengetragen haben. Diese Aussagen stehen im direkten Gegensatz zu der Aussage unseres Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble, der eine sich immer weiter öffnende Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland verleugnet. Auch unsere Bundesregierung zeichnet regelmäßig ein undifferenziertes Bild von einem Wohlstandsland, in dem es kaum Arbeitslose, angemessene Einkommen und ein stetig wachsendes Pro-Kopf-Vermögen gibt. Während die Reallöhne weiterhin stagnieren, genehmigen sich die Abgeordneten eine erneute Erhöhung ihrer Diäten um 10 Prozent mit der Begründung, man brauche den Vergleich zu anderen Führungsaufgaben in der Wirtschaft nicht scheuen und leiste viel Kernarbeit.

Kein EU-Land weist eine dermaßen ungleiche Verteilung seines Vermögens auf wie Deutschland. Die Anzahl der Bundesbürger, die mehr Schulden haben als Vermögen ist bedeutend gestiegen, während die reichsten zehn Prozent und die oberen Einkommensklassen immer größere Vermögenswerte anhäufen. Gut ein Fünftel der Erwachsenen besitzt kein bis wenig Vermögen, die Arbeitslosen verzeichnen einen Vermögensverlust von 40 Prozent. Männer besitzen mehr Vermögen als Frauen, während die Ostdeutschen nicht einmal die Hälfte von dem haben, was Westdeutsche ihr Eigen nennen. Durchschnittlich sind 32 Prozent der Deutschen verschuldet, während 10 Prozent ein zusätzliches Vermögen in Form von Immobilien, Versicherungen und anderen Wertgegenständen besitzen. Ihr Vermögensanteil beträgt pro Kopf etwa 141.000 Euro, während sich die übrigen Bundesbürger mit einem Pro-Kopf-Vermögen von 18.000 Euro zufrieden geben müssen. Die Bundesbürger ab 17 Jahren verfügen über ein Bruttovermögen von durchschnittlich 7,8 Billionen Euro (ausschließlich Auto und Hausrat), dem 1,1 Billionen Euro Schulden gegenüber stehen. 5,1 Billionen Euro der deutschen Bundesbürger stecken im Immobilien- und Grundbesitz. Das Maß der ungleich verteilten Vermögen wird durch den Gini-Koeffizienten gemessen. Insgesamt hat sich in den letzten Jahren an der Vermögensverteilung wenig geändert. Diese Daten basieren auf einer von der Hans-Böckler-Stiftung durchgeführten Studie.

Laut Studien des Paritätischen Gesamtverbandes driftet die Gesellschaft in alarmierender Weise auseinander und ist der soziale Zusammenhalt akut gefährdet. Die Armutsquote habe mit 15,2 Prozent ihren Höchststand erreicht, das Privatvermögen der Reichen und besseren Einkommensklassen steige, während sich so viele Menschen wie nie zuvor in der Schuldenfalle befänden. Die Politik verstärke diese Lage zusätzlich, anstatt gegenzusteuern, Kinderarmut komme im Koalitionsvertrag nicht vor, obwohl jedes fünfte Kind als arm gelte. Die Energiewende sei nicht sozialpolitisch flankiert und die Rente mit 63 und der an sich begrüßenswerte Mindestlohn keine geeigneten Mittel zur Gegensteuerung. Harz IV, prekäre und atypische Beschäftigungsverhältnisse erreichten Rekordniveau. Globale Krisen verunsichern die deutsche Wirtschaft, insbesondere die Ukraine-Krise sorgt für Umsatzeinbußen vieler Russland orientierter Unternehmen. Der Einzelhandel verzeichnet Umsatzrückgänge von bis zu 2,5 Prozent. Das Wachstum des Bruttoinlandproduktes betrug lediglich 0,4 Prozent und musste daher zum wiederholten Male revidiert werden. Von den mehrfach angekündigten positiven 1,5 Prozent ist wenig geblieben.

Fazit

Das viel besungene Jobwunder und die beachtliche Entwicklung am Arbeitsmarkt basieren vor allem auf Niedriglöhnen, atypischen und prekären Arbeitsverhältnissen, die Arbeitslosenquote lässt sich durch verschiedene Statistikmaßnahmen drastisch nach unten drücken. Die Harz IV-Quote ist um 0,8 Prozentpunkt von 10,3 % auf 9,5 % Prozent gesunken, so viel zu der beachtlichen Entwicklung. Während viele Menschen wie in einem Hamsterrad täglich 8 Stunden und mehr, manchmal auch in zwei Jobs, arbeiten und trotzdem nicht von ihrem Einkommen leben können und auf staatliche Hilfe angewiesen sind, erhöhen sich die Einkommen und die Lebenserwartung der Reichen und gut Situierten. Die Anzahl der akut armutsgefährdeten Menschen nimmt weiterhin zu, die Einkommensschere zwischen Arm und Reich driftet immer weiter auseinander. Das Wirtschaftswachstum betrug noch 2012 0,7 %, während es heute bei 0,4 % vor sich hindümpelt. Immerhin ist das BIP von 2,4 auf 2,6 Billionen Euro gestiegen während die Armutsquote nicht etwa anteilig gesunken, sondern einen Anstieg von 14 % auf 15,2 % verzeichnet.

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