Die Quellen des Arbeitsrechts: Europarecht

Die-Quellen-des-Arbeitsrechts-EuroparechtDas Arbeitsrecht wie wir es in Deutschland kennen, hat viele Rechtsquellen. Den Arbeitsvertrag und den Tarifvertrag kennen die meisten Arbeitnehmer. Auf ihr Arbeitsverhältnis sind weitere Gesetze und Rechtsquellen anzuwenden, die uns nicht sofort in den Sinn kommen. Weitere Rechtsquellen des Arbeitsrechts sind das Europa- und das Verfassungsrecht, die Betriebsvereinbarung und verschiedene Gesetze, die direkte Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis haben.

Europarecht bricht nationales Recht

Seit der Gründung der Europäischen Union steht das Europarecht an oberster Stelle verbindlicher Rechtsnormen. Fachleute kennen das Sprichwort „Europarecht bricht nationales Recht“. Dieses Sprichwort sagt uns, dass das Europarecht, auch als europäisches Gemeinschaftsrecht oder Recht der Europäischen Union bezeichnet, über den Rechtsordnungen und Gesetzen der nationalen Staaten steht. Das deutsche Arbeitsrecht ist in seiner Ausgestaltung vielfach von den Bestimmungen des Europarechts geprägt. Damit steht das Europarecht hierarchisch über den für das deutsche Arbeitsrecht verbindlichen Rechtsnormen. Das Europarecht ist gegenüber dem nationalen Recht der EU-Mitgliedstaaten regelmäßig das stärkere Recht. Es hebelt das nationale Recht aus. Das europäische Gemeinschaftsrecht wird in Primär- und Sekundärrecht unterteilt. Die Mitgliedstaaten unterscheiden betreffend die geltenden Rechtsnormen zwischen dem Recht des EG-Vertrages (Primärrecht) und den Verordnungen und Richtlinien gemäß Art. 249 Abs. 2 u. 3 EGV (Sekundärrecht). Verordnungen und Richtlinien unterscheiden sich dahingehend, dass Verordnungen hinsichtlich der Rechtsprechung unmittelbar verbindlich sind, während Richtlinien erst noch in nationales Recht der Mitgliedstaaten umgesetzt werden müssen. Die Bezeichnung Richtlinie hört sich harmlos an, wie eine Empfehlung. Empfehlungen sind lediglich ein gut gemeinter Rat, wie man es besser machen könnte. Die Richtlinien der Europäischen Union sind jedoch nicht als gut gemeinter Rat zu verstehen, an den sich die Mitgliedstaaten nach Belieben halten können oder auch nicht. Richtlinien sind verbindlich, insbesondere nach Umsetzung in nationales Recht. Sie sind nach ihrer Umsetzung für die Auslegung und Anwendung der auf sie zurückzuführenden nationalen Rechtsnormen verbindlich.

Europarecht bricht deutsches Arbeitsrecht

In vielen Fällen kommt es vor, dass das Recht der Europäischen Gemeinschaft mit dem nationalen Recht der einzelnen Mitgliedstaaten kollidiert. Diese Kollision kommt auch im Bereich des Arbeitsrechtes vor. In so einem Kollisionsfall gilt „Europarecht bricht deutsches Arbeitsrecht“. Das Gemeinschaftsrecht hat demzufolge Vorrang vor dem deutschen Arbeitsrecht. Da das Gemeinschaftsrecht im Vergleich zu anderen Gesetzen eine sehr kurze historische Vergangenheit hat, bestehen nach wie vor viele Unklarheiten. Im Zweifelsfall ist ein nationales Gericht dazu verpflichtet, im Wege der Vorlage eine Vorabscheidung des Europäischen Gerichtshofes einzuholen, ob das entsprechende nationale Recht oder Bestimmungen mit dem Recht des EG-Vertrages vereinbar sind. Das Vorabentscheidungsverfahren des Europäischen Gerichtshofes hat zum Ziel, die Sicherung einer einheitlichen Interpretation europarechtlicher Rechtsnormen zu gewährleisten. Angesichts der Aufsplittung des deutschen Arbeitsrechtes in verschiedene Gesetze ist die Sicherung einer einheitlichen europäischen Rechtsprechung nicht einfach. Ein einheitliches Arbeitsgesetzbuch war nie vorgesehen und ist daher nicht vorhanden. Aus diesem Grund ist es erforderlich, zur Umsetzung des Arbeitsrechtes auf verschiedene Gesetze zurückzugreifen. Diese Unübersichtlichkeit beeinträchtigt die einfache Rechtsanwendung.

Neben dem von staatlichen Institutionen geschaffenen Arbeitsrecht mit seinen verbindlichen Rechtsnormen bestehen die zwischen Arbeitgebervertretern (Unternehmen, Arbeitgeberverband) und Arbeitnehmervertretern (Gewerkschaften) vereinbarten Normen (Tarifverträge). Zusätzlich sind die Vereinbarungen zwischen Unternehmerseite und Betriebsräten (Betriebsratsvereinbarungen) zu beachten. An diese Stelle tritt das Recht der Europäischen Gemeinschaft in die Unternehmen der EU-Mitgliedstaaten ein. Es schafft auf dem Gebiet des Arbeitsrechts viele europarechtliche Vorschriften in Form von Richtlinien und Verordnungen. Die Europäische Union hat die Gesetzgebungskompetenz betreffend alle Rechtsmaterien des Sozial- und Arbeitsrechts. Ausgenommen sind das Koalitionsrecht, das Arbeitskampfrecht und das Recht des Arbeitsentgelts. Die Europäische Union hat von ihrem Recht der Gesetzgebungskompetenz in großem Umfang Gebrauch gemacht. Mit ihrer umfassenden Normsetzungskompetenz bestimmt die Europäische Union mit ihren Richtlinien die Rechtsvorgaben für das nationale Recht der einzelnen Mitgliedstaaten.

Fazit

Es ist nicht leicht, das EU-Recht in die nationalen Rechtssysteme der einzelnen Mitgliedstaaten einzubetten. Artikel 136 EG beschreibt die Zielsetzung des europäischen Arbeitsrechts zutreffend: „Die Förderung der Beschäftigung, die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen, um dadurch auf dem Wege des Fortschritts ihre Angleichung zu ermöglichen, einen angemessenen sozialen Schutz, den sozialen Dialog, die Entwicklung des Arbeitskräftepotenzials im Hinblick auf ein dauerhaft hohes Beschäftigungsniveau und die Bekämpfung von Ausgrenzungen“.

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