Europäisches Arbeitsschutzrecht

Europaeisches-ArbeitsschutzrechtDas deutsche Arbeitsschutzrecht beruht auf den Grundlagen des europäischen Arbeitsschutzrechts. Auch im Bereich des Arbeitsrechts gilt der Rechtsgrundsatz „europäisches Recht bricht nationales Recht“. Das europäische Arbeitsschutzrecht orientiert sich am Gesundheitsbegriff der World Health Organization (WHO). Das europäische Arbeitsschutzrecht geht zurück auf den EWG-Vertrag, der wiederum auf dem Willen der europäischen Staaten beruht, einen gemeinsamen europäischen Markt zu schaffen. Der EWG-Vertrag legt als verbindlich fest, eine harmonische und kontinuierliche Entwicklung der Wirtschaftsbeziehungen der Mitgliedsstaaten untereinander zu fördern, ein dauerhaft hohes Beschäftigungsniveau zu erreichen und zu halten, den sozialen Schutz aller Beteiligten zu garantieren und den Lebensstandard zu heben. Mit der Gründung der Europäischen Union sind die einzelnen Mitgliedsstaaten soziale Verpflichtungen eingegangen, die sich insbesondere durch die Maßnahmen und Aktionsprogramme im Rahmen der Sozialpolitik zeigen. Diese sozialen Verpflichtungen gehen auf Art. 94 EWG-Vertrag zurück, der als oberstes Ziel die Realisierung gleicher Wettbewerbsbedingungen und den Abbau von Handelshindernissen verzeichnet.

Die Geschichte des EU-Binnenmarktes

Die sozialen Rahmenbedingungen des gemeinsamen EU-Binnenmarktes sind in den Arbeitsschutz-Richtlinien auf Basis von Art. 137 EWG festlegt. Das gemeinsame Ziel der Europäischen Union ist, trotz des vergrößerten Binnenmarktes und des erweiterten Rechtsraums die Arbeitsbedingungen der Menschen und die Arbeitsumwelt, in der sie sich täglich bewegen, zu verbessern. Um einen gemeinsamen Rechtsraum für alle beteiligten EU-Staaten zu schaffen, wurde die „Einheitliche Europäische Akte“ geschaffen und die beiden neuen Artikel 95 und 138 in den EWG-Vertrag aufgenommen. Heute sind diese beiden Artikel in die Artikel 114 und 153 übergegangen, um eine einheitliche Rechtsgrundlage für den Gesundheits- und Arbeitsschutz im Rahmen der europäischen Harmonisierung zu erreichen. Mit dieser Ausgangssituation war die Europäische Kommission in der Lage, eine Gesamtstrategie aufzustellen. Durch die „Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer“ von 1989 realisierten die EU-Mitgliedsstaaten gemeinsame Maßnahmen zum Gesundheitsschutz. Mit dem Vertrag von Maastricht aus dem Jahr 1992 haben die Mitgliedsstaaten diese Charta ratifiziert. Im Jahr 2009 folgte der Vertrag von Lissabon, der die Arbeitsweise der Europäischen Union festlegt und verbindliche Richtlinien zu den technischen und sozialen Regelungen (Art. 114) und den Arbeitsschutz (Art. 153) im Rahmen der Harmonisierung des Binnenmarktes vorschreibt.

Autonomes Recht

Das europäische Gemeinschaftsrecht ist unabhängig, agiert demzufolge autonom und eigenständig. Es steht über den nationalen Rechtsordnungen der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten. Seit dem Jahr 1989 sind sie im Rahmen der Harmonisierung des EU-Binnenmarktes verpflichtet, ihr nationales Arbeitsschutzrecht an das Gemeinschaftsrecht anzupassen und die entsprechenden EU-Richtlinien in nationales Recht umzusetzen. EU-Bürger können sich gegenüber ihrem nationalen Staat auf ihre aus den EU-Richtlinien resultierenden Rechte berufen, solange der Staat diese noch nicht in nationales Recht umgesetzt hat. Somit gilt europäisches Arbeitsschutzrecht unmittelbar für und gegen jeden EU-Bürger, wenn es in der Sache rechtlich vollkommen und abschließend ist und weitere Maßnahmen der Mitgliedsstaaten nicht notwendig sind. In der Privatwirtschaft gilt nationales Recht auf der Grundlage des europäischen Rechts. Im öffentlichen Dienst gelten die europäischen Arbeitsschutz-Richtlinien unmittelbar. Jeder EU-Bürger hat das Recht, den Europäischen Gerichtshof anzurufen. Art. 114 ist eine der wichtigsten Eckpfeiler des EWG-Vertrages. Er verfasst die Grundprinzipien des EU-Arbeitsumweltrechts:

  • einheitliche Rechtssetzung
  • gesundheitlicher Arbeitsschutz
  • Betriebsorientierung
  • Kooperationsprinzip/Beteiligungsorientierung
  • aktive Beteiligung aller Beschäftigten
  • präventives Sicherheitsmanagement
  • Anpassungspflicht an den Stand der Technik

Oberstes Ziel ist das physische und psychische Wohlbefinden am Arbeitsplatz, die Förderung von Gesundheit und Sicherheit sowie die Schaffung eines verträglichen sozialen Umfeldes. Hierzu gehören die

  • fortlaufende Verringerung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten
  • Prävention sozialer Risiken (Mobbing, Stress, Depression, Angstzustände, Abhängigkeiten);
  • Vorbeugung von Berufskrankheiten
  • Berücksichtigung demographischer Entwicklungen
  • geschlechtsspezifische Berücksichtigung
  • Berücksichtigung der Entwicklung von Beschäftigungsformen und Arbeitsorganisation
  • Berücksichtigung der spezifischen Probleme von Mikrounternehmen, KMU und Selbstständigen.

Artikel 114

Das oberste Ziel von Art. 114 AEUV ist die Realisierung und das Funktionieren des europäischen Binnenmarktes. Die festgeschriebenen Richtlinien dienen der technischen Harmonisierung und beziehen sich in ihrem Anspruch auf Produktsicherheit und Vorschriften betreffend chemische Stoffe. Mit dem freien Warenverkehr innerhalb des europäischen Binnenmarktes formuliert Art. 114 den Anspruch, ein hohes Schutzniveau in den Bereichen der Sicherheit, Gesundheit, Umweltschutz und Verbraucherschutz zu realisieren und dauerhaft zu halten. Der neueste Stand der Technik sowie alle neuen wissenschaftlichen Ergebnisse sind dabei stets zu berücksichtigen. Betreffend die Umsetzung dieser EU-Richtlinie in nationales Recht ist kein Spielraum erlaubt, ein Über- oder Unterschreiten der EU-Normen durch das Festlegen von nationalen Rechtsstandards ist nicht möglich, da eine abschließende Harmonisierung des Binnenhandels erstrebt wird.

Lissabon-Vertrag

Artikel 153 des Lissabon-Vertrages legt die Mindeststandards der europäischen Arbeitsschutzgesetze für alle Betriebe und Arbeitnehmer einheitlich fest. Die Mitgliedsstaaten verpflichten sich, eine verbesserte Arbeitsumwelt zu fördern, um die Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer zu gewährleisten und zu schützen, wobei sie die Harmonisierung der bestehenden Bedingungen fortlaufend zum Ziel haben. Die europäischen Arbeitsschutzrichtlinien enthalten so genannte Erwägungsgründe und Mindeststandards auf einheitlichem Rechtsniveau. National höhere Rechtsanforderungen dürfen den freien Binnenhandel nicht gefährden. Im Bereich des Gesundheits- und Arbeitsschutzes gibt es noch eine große Anzahl weiterer Richtlinien im Bereich der Gefährdungsbeurteilung von Gefahrstoffen, Arbeitszeit, Jugendschutz, Biotechnologie, Strahlung und Leiharbeit. Die EU beschränkt sich nicht ausschließlich auf das Erlassen von Richtlinien und Rechtsvorschriften, sondern spielt bei deren Umsetzung gleichfalls eine aktive Rolle.

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