Gesetzesänderung: Gewerbeordnung gilt für alle Arbeitnehmer

Gesetzesaenderung-Gewerbeordnung-gilt-bald-fuer-alle-ArbeitnehmerDie Novellierung der Gewerbeordnung und ihre praktische Auswirkung auf das Arbeitsrecht

Vor der Änderung der Gewerbeordnung durch den Bundesrat im Juli 2003 war die Gewerbeordnung nicht auf alle Arbeitnehmer anzuwenden. Die gesetzlichen Bestimmungen der Gewerbeordnung waren bis zum 1. Januar 2003 nur auf gewerbliche Arbeitnehmer anzuwenden. Zu diesem Arbeitnehmerkreis gehören Lehrlinge, Gesellen, Techniker, Werkmeister, Gehilfen, Fabrikarbeiter und Betriebsbeamte.

Warum war es so wichtig, die Bestimmungen der Gewerbeordnung grundlegend zu verändern?

Die Bestimmungen der Gewerbeordnung wurden durch den Bundesrat grundlegend geändert, um sie an die regelmäßige Rechtsprechung der Arbeitsgerichte anzupassen. Nach Meinung der Arbeitsgerichte enthielt die Gewerbeordnung auch vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes Bestimmungen, die auf alle Arbeitnehmer anzuwenden sind. Von der neuen Gewerbeordnung sind seit der Gesetzesänderung nicht nur gewerbliche Arbeitnehmer, sondern alle Arbeitnehmer ohne Rücksicht auf ihre berufliche Tätigkeit betroffen. Die Gewerbeordnung regelt die individuellen vertraglichen Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, berücksichtigt die gesetzlichen Bestimmungen des Gewerkschafts- und Tarifrechts, bestätigt den Arbeitgebern ihr Weisungsrecht gegenüber den Mitarbeitern, regelt die Berechnung und Zahlung des Arbeitsentgelts und legt Bestimmungen hinsichtlich des Arbeitszeugnisses und der Gehaltsabrechnung fest.

Am 1. 1. 2003 ist das „Dritte Gesetz zur Änderung der Gewerbeordnung und sonstiger gewerberechtlicher Vorschriften“ in Kraft getreten. Ziel des Gesetzgebers war, die schwer lesbaren und übersichtlichen Vorschriften der bisherigen Gewerbeordnung nicht nur zu vereinfachen, sondern teilweise zu streichen und neu zu fassen. Diese Gesetzesänderung resultiert aus der gesellschaftlichen Entwicklung, die manche Bestimmungen überflüssig gemacht hat. Der Gesetzgeber hat für diese Novellierung die allgemeinen arbeitsrechtlichen Vorschriften, die zuvor in den §§ 105 ff. GewO festgeschrieben waren, überarbeitet. Die Novellierung regelt die wichtigsten Punkte der arbeitsvertraglichen Beziehungen und passt sich an die modernen Verhältnisse an. So erfolgte mit dieser Gesetzesnovellierung nicht nur eine sprachliche Überarbeitung, sondern eine räumliche und gegenständliche Ausweitung arbeitsrechtlicher Vorschriften und Normen. Die Vorschriften der Gewerbeordnung erfassen nun auch angestellte Mitarbeiter, angestellte Rechtsanwälte und Ärzte. Freiberufler, die kein Gewerbe ausüben und aufgrund ihrer besonderen beruflichen und schöpferischen Begabung eigenverantwortlich „Dienstleistungen höherer Art im Interesse der Auftraggeber und der Allgemeinheit“ erbringen, werden von der Gewerbeordnung nicht erfasst. Sie werden als arbeitnehmerähnliche Personen eingestuft und fallen unter § 18 des Einkommensteuergesetzes und verschiedene weitere Gesetze.

Ein weiteres Ziel neben der Reform der arbeitsrechtlichen Grundnormen war der Gedanke der Rechtsvereinigung auf Basis des Einigungsvertrags vom 31.08.1996. Der Einigungsvertrag hatte vor der Gesetzesänderung die Anwendung der Vorschriften der Gewerbeordnung auf das Beitrittsgebiet ausgeschlossen.

Die Gewerbeordnung als Verfechter arbeitsrechtlicher Grundsätze


Die von der Novellierung betroffenen beziehungsweise geänderten Paragrafen

  • § 105 Vertragsfreiheit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer
  • § 106 Weisungsrecht des Arbeitgebers
  • § 107 Berechnung des Arbeitsentgeltes
  • § 107 Verbot der Anrechnung von Trinkgeld
  • § 108 Abrechnung des Arbeitsentgelts
  • § 109 Zeugniserteilung
  • § 110 Wettbewerbsverbot

Fazit

Der Gesetzgeber hat mit dem „Dritten Gesetz zur Änderung der Gewerbeordnung“ eine Rechtsbereinigung vorgenommen und Überregulierungen abgeschafft. Diese Novellierung war aufgrund gesellschaftlicher Entwicklungen dringend geboten, da die Vorschriften der Gewerbeordnung zum Änderungszeitpunkt bereits 130 Jahre zurückreichten. Nach § 6 gelten die Vorschriften der Gewerbeordnung aktuell für alle Arbeitnehmer und sind nicht mehr nur auf gewerbliche Arbeitnehmer beschränkt. Die Gewerbeordnung gilt seit ihrer Novellierung auch für die neuen Bundesländer, was vor dem Einigungsvertrag vom 31.08.1996 noch ausgeschlossen war. Trotz seiner aus dem Einigungsvertrag resultierenden Verpflichtungen hat der Gesetzgeber bis heute kein Arbeitsgesetzbuch und kein Arbeitsvertragsgesetz geschaffen. Kritische Arbeitsrechtler verweisen darauf, dass manche der wichtigen von der Novellierung betroffenen Grundlagenvorschriften in ein separates Arbeitsvertragsgesetz aufzunehmen wären.

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