Insolvenz - Wann geraten Sie in die Zahlungsaufstockung und wann in die Zahlungsunfähigkeit?

Insolvenz-Wann-geraten-Sie-in-die-Zahlungsaufstockung-und-wann-in-die-ZahlungsunfaehigkeitEin Großteil der deutschen Unternehmen firmiert in der Rechtsform einer GmbH, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Der große Vorteil ist, dass die Gesellschafter nicht persönlich und unbeschränkt, sondern ausschließlich beschränkt haften. Die Gesellschafter können also nur mit ihrem Unternehmenskapital, nicht jedoch mit ihrem persönlichen Vermögen zur Haftung herangezogen werden. Im Fall wirtschaftlicher und finanzieller Krisen steht die Frage im Raum, wann es Zeit ist, eine geordnete Insolvenz abzuwickeln. Wann liegt eine Zahlungsaufstockung und wann die Zahlungsunfähigkeit vor? Reichen Anteilseigner ihren Insolvenzantrag zu spät ein, werden sie entgegen der GmbH-Haftungsnorm persönlich in Regress genommen. Diese verspätete Insolvenzabwicklung passiert öfters als man denkt, denn die Abgrenzung zwischen Zahlungsaufstockung und Zahlungsunfähigkeit ist in der Praxis nicht leicht, oft verlaufen die Grenzen fließend.

Liquiditätslücke und Liquiditätsunterdeckung

Der Bundesgerichtshof hat mit seiner regelmäßigen Rechtsprechung einen Kriterienkatalog verfasst, der den Unterschied zwischen Zahlungsaufstockung und Zahlungsunfähigkeit aufzeigt. Ein Ansatz zur Unterscheidung ist die Dreiwochenfrist, mit der Sie die Gelegenheit haben, um die finanziellen Verpflichtungen Ihrer GmbH zu begleichen und die dafür notwendigen Geldmittel zu beschaffen. Besteht nach Ablauf dieser Zahlungsfrist noch immer eine Liquiditätslücke, beträgt diese jedoch weniger als zehn Prozent Ihrer gesamten Verbindlichkeiten, sind Sie weiterhin zahlungsfähig, es liegt jedoch eine Zahlungsaufstockung vor. Die Rechtsprechung definiert die Periode der Zahlungsaufstockung als den Zeitraum, den eine kreditwürdige Person benötigt, um das notwendige Kapital zur Begleichung aller Verbindlichkeiten zu besorgen. Steigt die Liquiditätslücke weiterhin an und überschreitet sie die 10-Prozent-Grenze, liegt eine Zahlungsunfähigkeit vor. Können Sie jedoch absehen, dass diese Liquiditätslücke kurzfristig vollständig oder zumindest zu einem großen Teil beseitigt wird, liegt trotz dieser Grenzüberschreitung eine Zahlungsunfähigkeit nicht vor. Eine weitere Voraussetzung für das Nichteinsetzen der Zahlungsunfähigkeit ist die Situation Ihrer Gläubiger. Können Sie Ihren Gläubigern zumuten, auf ihre ausstehenden Forderungen zu warten? Sind Sie in der Lage, eine einvernehmliche Einigung für beide Seiten auszuhandeln? In vielen Fällen haben auch Ihre Gläubiger ein vermehrtes Interesse daran, dass Ihre GmbH nicht in die Zahlungsunfähigkeit abrutscht, da in diesem Fall ein Insolvenzverwalter bestellt wird, der Ihre Gläubiger entsprechend ihrem Rang in der Gläubigerliste befriedigt.

Die Hoffnung stirbt nicht zuletzt

Je weiter hinten ein Gläubiger im Zahlungsrang steht, desto länger muss er auf sein Geld warten, unter Umständen bekommt er vielleicht gar nichts, wenn eine Kapitalunterdeckung vorliegt. Es kann demzufolge durchaus sein, dass sich Ihre Gläubiger selbst dann, wenn Sie bereits stark von der Insolvenz bedroht sind, auf eine Einigung mit Ihnen einlassen, wenn nur ansatzweise eine Möglichkeit besteht, diese Situation abzuwenden. In dieser Hinsicht ist jedoch Vorsicht geboten. Geben Sie sich keinen falschen Illusionen hin und agieren Sie nicht nach dem Motto „die Hoffnung stirbt zuletzt“, da Sie im schlimmsten Fall in den Bereich der Insolvenzverschleppung geraten, mit der Sie sich strafbar machen.

Ist die Zahlungsunfähigkeit eingetreten, dürfen Sie ausschließlich Zahlungen auf Forderungen leisten, die gemäß § 64 GmbHG „mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar sind.“ Für den einfachen Sprachgebrauch übersetzt bedeutet diese Rechtsvorschrift, dass Sie nur noch Ausgaben tätigen dürfen, die zur Aufrechterhaltung Ihres Unternehmens notwendig sind. Diese Zahlungen generieren einen gleichwertigen Wertzufluss für Ihr Unternehmen und stehen in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit diesen geschäftlichen Tätigkeiten. Zahlungen für bereits länger zurückliegende Lieferungen scheiden nach diesem Rechtsgrundsatz bereits aus. Der Druck, der auf Ihnen als Anteilseigner und Geschäftsführer liegt, ist während dieser Krise hoch. Nicht nur Ihre Gläubiger, sondern auch Ihre Kreditgeber müssen zufriedengestellt werden, da ein Kreditausfall und damit die Kündigung des Kreditrahmens durchaus möglich ist. Nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit erhöht sich Ihre Haftung gemäß § 64 GmbHG. Auch die Sozialversicherungsträger können Sie im Fall eines verspäteten Insolvenzantrages zivilrechtlich gemäß § 823 BGB i. V. m. § 265 StGB belangen und persönlich ausstehende Sozialversicherungsbeiträge, die auf Sie als Arbeitgeber entfallen, einklagen.

Fazit

Die regelmäßige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes lichtet zwar den Nebel für Sie als betroffenen Geschäftsführer, gleichwohl laufen Sie dennoch die Gefahr, im Haftungssumpf zu versinken, da die Grenze zwischen Zahlungsaufstockung und Zahlungsunfähigkeit mit dem 10-Prozent-Grenzkriterium für die Liquiditätsunterdeckung durchaus fließend verlaufen kann. Sie müssen sich zu jeder Zeit darüber im Klaren sein, wann Sie diese Grenze eindeutig überschreiten und Gefahr der Insolvenz laufen. Nehmen Sie in diesen Zeiten knapper Kassen täglich eine entsprechende Liquiditätsberechnung vor. Alle Rechnungen, Zahlungseingänge und Zahlungsausgänge müssen umgehend in der Buchhaltung überprüft und eingepflegt werden, um auf verlässliches Zahlenmaterial zurückzugreifen. Beachten Sie, dass es sich bei der BGH-Rechtsprechung um eine sogenannte Vermutungsregelung handelt, die einen eventuellen Haftungsprozess und die Beweislast bestimmen. Wird eine Zahlungsunfähigkeit vermutet, bedeutet dies nicht automatisch, dass Sie nicht mehr in Anspruch genommen werden. Der Insolvenzverwalter muss nun den Beweis der Zahlungsunfähigkeit erbringen. Gelingt ihm eine zufriedenstellende Beweiserbringung, greift unter Umständen wiederum Ihre Haftung als Geschäftsführer.

Wird eine Zahlungsunfähigkeit vermutet, können Sie den Beweis erbringen, dass diese Vermutung nicht zutrifft, wenn tatsächlich keine vorliegt. Wollen Sie vermeiden, dass Sie in den Bereich der Insolvenzverschleppung geraten, müssen Sie bei Vorliegen einer Liquiditätslücke von mehr als 10 Prozent der gesamten Verbindlichkeiten nachweisen, dass die Schließung dieser Lücke „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ zu erwarten war. Diese Beweiserbringung ist in der Praxis jedoch so gut wie unmöglich. Durch die höchstrichterliche Rechtsprechung werden Zahlungsaufstockung und Zahlungsunfähigkeit nun im wahrsten Sinne des Wortes berechenbar. Damit verschärfen sich Ihre Haftung als GmbH-Geschäftsführer und die Voraussetzungen für die Beantragung der Insolvenz.

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