Kann Factoring für Existenzgründer sinnvoll sein?

Kann Factoring für Existenzgründer sinnvoll sein? - Dieser Frage gehen wir einmal auf den Grund und durchleuchten, ob Factoring für Existenzgründer sowie junge Unternehmen eine gute Möglichkeit ist, permanent liquide Mittel zur Verfügung zu haben.

1. Liquiditätssicherung in der Gründungsphase

Die Finanzierung von Existenzgründern stößt bei vielen Kreditgebern auf Ablehnung. Existenzgründern fällt es oft schwer, die nötigen finanziellen Mittel in der Startphase aufzubringen sowie eine ausreichende Liquidität für den Kapitalmarktzugang sicherzustellen.
Die oftmals hohen Anfangsinvestitionen lassen sich durch Forderungsankauf von Factoringunternehmen leichter überbrücken. Außerdem wird das gesamte Forderungsmanagement so schon in der schwierigen Gründungsphase professionalisiert.

2. Wie funktioniert ein Factoringvertrag?

Das Kennzeichen des Factoringvertrages ist die Vorfinanzierung der Außenstände des Unternehmers. Der Existenzgründer verpflichtet sich dabei, dem Factor alle seine ausstehenden Forderungen abzutreten.
Der Factor zahlt dem Existenzgründer für seine Forderungen zwischen 70 % und 90 % des Nennwerts der Forderung. Die Höhe schwankt danach, ob der Factor das Zahlungsrisiko des Kunden übernimmt. Auf jeden Fall lässt er sich seine Einziehungstätigkeit vergüten.

3. Echter Factoringvertrag = Forderungskauf

Der echte Factoringvertrag wird als Forderungskauf angesehen. Es gelten die §§ 453, 433 ff BGB. Der Existenzgründer verpflichtet sich bei diesem Forderungsverkauf, dass die Forderung einredefrei besteht. Das bedeutet: Einreden, die der Kunde dem Factor z.B. wegen tatsächlich fehlerhafter Lieferung des Existenzgründers entgegensetzt, verpflichten den Existenzgründer zur Rückzahlung des vom Factor erhaltenen Forderungskaufpreises. Der Factor trägt somit das Insolvenzrisiko des Kunden. Dem Handelsvertreterrecht entnommen (§ 86 b Abs. 1 HGB), wird die Übernahme dieses Risikos als Delkrederehaftung bezeichnet.
Alle anderen Vertragsstörungen, die nicht das Insolvenzrisiko des Kunden betreffen, wie z.B. Gewährleistungsrechte wegen Schlecht- oder Falschlieferung, gehen zu Lasten des Existenzgründers (§§ 453, 435 BGB). Für Rügen dieser Art nimmt der Factor regelmäßig einen Sicherungseinbehalt von 10 % bis 20 % des Nennwertes der Forderung. Diesen Sicherungseinbehalt zahlt er dem Existenzgründer erst, wenn feststeht, dass der Kunde keine Mängelrügen, Retouren oder dergleichen geltend macht.
Der echte Factoringvertrag wird als Forderungskaufvertrag betrachtet. Danach gilt grundsätzlich das Prioritätsprinzip, das bedeutet, die zeitlich frühere Abtretung an den Factor geht der zeitlich späteren Abtretung an den Lieferanten vor. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.

Beispiel zum Forderungskauf

Factor F hat mit Existenzgründer E einen sogenannten echten Factoringvertrag abgeschlossen. Er hat von E die Forderungen gegen dessen Kunden A und B erworben und zu je 70 % des Nennwerts vergütet. Als F von A und B Zahlung verlangt, wendet A zu Recht ein, dass die Lieferung des E fehlerhaft gewesen sei. A verweigert die Zahlung. Auch von B ist keine Bezahlung zu erlangen, weil B Insolvenzantrag gestellt hat.
Beim echten Factoringvertrag trägt F das Zahlungsrisiko der Kunden. Der Ausfall der Forderung gegen B ist also sein Risiko. E kann das von F erhaltene Entgelt für diese Forderung behalten.
F trägt jedoch nicht das Zahlungsrisiko wegen anderer Umstände als der Vermögenslosigkeit. Da A Mängel der Lieferung des E geltend macht, kann F in diesem Fall das Entgelt für die Forderung des A von E zurückerstattet verlangen.
Einigen sich A und E auf eine Minderung von 40 %, kann F von E die Rückzahlung der an E gezahlten 70 % verlangen.

4. Unechter Factoringvertrag = Darlehensvertrag

Der unechte Factoringvertrag wird rechtlich und wirtschaftlich als Darlehensvertrag angesehen. Erst bei Zahlung des Kunden entscheidet sich, ob der Existenzgründer die dem Factor getätigte Gutschrift behalten kann oder so beim Zahlungsausfall an den Factor zurückzahlen muss. Bis zur Zahlung des Kunden besteht die Gefahr, dass der Factor den Gutschriftsbetrag vom Existenzgründer zurückfordert. Dieser Rückforderungsvorbehalt lässt den Gutschriftsbetrag wirtschaftlich und rechtlich einem Darlehen gleichkommen.
Dem Factor verbleibt aber auch bei Rückzahlung der Gutschrift ein Entgelt für die Einziehungstätigkeit der Kundenforderung.
Regelmäßig vereinbaren Factor und Existenzgründer ein sogenanntes Kauflimit für jeden Kunden. Das Limit begrenzt die Verpflichtung des Factors, die einzelne Kundenforderung anzukaufen. Damit vermindert der Factor sein Risiko, Forderungen von "schlechten" Kunden ankaufen zu müssen.
Auch beim unechten Factoring wurd der Vorlieferant bevorzugt. Die zeitlich frühere Abtretung an den Factor muss sich der Vorlieferant nicht entgegenhalten lassen. Er erwirbt demnach die Forderung, obgleich sie bereits an den Factor abgetreten worden ist.
Umgekehrt gilt: Die zeitlich frühere Abtretung an den Vorliefderanten auf Grund verlängerten Eigentumsvorhehalt hat Bestand, wenn die Kundenforderung nochmals an einen Factor abgetreten wird.

Beispiel zum Prioritätsprinzip

Existenzgründer E und Factor F haben einen echten Factoringvertrag geschlossen. Demzufolge hat E seine gesamten Kundenforderungen an F übertragen.
Sobald E jedoch Waren vom Vorlieferanten einkauft und diese üblicherweise nur gegen verlängerten Eigentumsvorbehalt liefert, geht die Kundenforderung als Ausnahme vom Prioritätsprinzip auf den Vorlieferanten über.

5. Factoring kann für Existenzgründer sinnvoll sein

Factoring kann für einen Großteil der Start-ups und jungen Unternehmen eine lohnende Alternative sein. Der Existenzgründer ist schnell liquide, bankenunabhängig und auch seine Forderungen sind abgesichert. Aufgrund des ausgelagerten Debitorenmanagements wird die Büroarbeit auch reduziert. Die Finanzierungsvariante Factoring kann entscheidend zum Aufbau eines Unternehmens beitragen. Während das etablierte Unternehmen anhand der Ist-Zahlen bewertet wird, geschieht dies bei Neugründungen mit Hilfe der Planzahlen des Businessplanes. Mit Factoring kann den Jungunternehmern, die oftmals keine Lieferantenkredite erhalten, zur Vorkasse aufgefordert werden oder lediglich kurze Zahlungsziele eingeräumt bekommen, wirksam geholfen werden. Bessere Ratingzahlen der Existenzgründer mittels Factoring können sich zudem positiv auf die Kreditwürdigkeit bei Neugründungen auswirken.

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