Glaubt man der regulären Berichterstattung, bewegen sich Kleinbetriebe und Digitalisierung in zwei verschiedenen Welten. Wiederholt wird beklagt, Kleinbetriebe würden die Digitalisierung verschlafen. Andererseits haben die Medien den Begriff „Industrie 4.0“ geprägt. Ist das Problem wirklich so dramatisch, dass alle über die angeblich fehlende Digitalisierung sprechen? Umfrageergebnisse von TNS-Infratest und CSC bescheinigen, steigendes Wirtschaftswachstum aufgrund durch Digitalisierung ist unumkehrbar. Unter den kleinen Betrieben mit weniger als fünfzig Mitarbeitern meldet nur jedes zehnte Unternehmen auf niedrigem Digitalisierungs-Niveau steigende Umsätze. Die gut digitalisierten „Kollegen“ realisieren dagegen gute bis sehr gute Umsätze in Höhe von 44 Prozent. In Deutschland ist vier von zehn Befragten der Begriff „Industrie 4.0“ fremd, in Österreich kennen mehr als fünfzig Prozent und in der Schweiz sogar 60 Prozent dieses „Fremdwort“ nicht. Die Größe der Länder spielt hierbei keine Rolle. Wiederholt zeigt sich, dass die USA und Kanada uns in diesem Feld weit voraus sind. Dies zeigt, dass sensible Themen wie die Freihandelsabkommen TTIP (USA) und CETA (Kanada) zu behandeln sind.
Pfiffige Unternehmer, die mit der Zeit gehen, setzen auf ein gut ausgebautes Digitalisierungs-Niveau und haben die bessere Präsenz und Außendarstellung im Netz im Blick. Sie richten ihr Augenmerk auf eine verbesserte Kundenbetreuung und eine effiziente und zeitschonende Kommunikation mit Geschäftspartnern und Lieferanten. Die Handwerksbetriebe dagegen hinken dem Trend „Industrie 4.0“ nach. Nur zwei von fünf Handwerks-Unternehmen (39 %) sehen in der fortschreitenden Digitalisierung einen wichtigen Trend der Gegenwart und der Zukunft. Dieser Trend liegt vor allem darin begründet, dass Handwerksbetriebe auch in der heutigen digitalen Zeit noch den alten Traditionen verbunden sind, zu denen die neue Welt der Digitalisierung ihrer Meinung nach nicht passt. Dienstleister und Handel messen der Digitalisierung dagegen eine hohe Relevanz bei. So hat eine gut aufgestellte Digitalisierung für siebzig Prozent der Kleinbetriebe, die Umsätze unter fünf Millionen Euro jährlich realisieren kaum eine Bedeutung.
Die Digitalisierung wird gerade im Hinblick auf die Marketing-Aktivitäten und die Außendarstellung der Unternehmen genutzt. Soziale Netzwerke und Online-Plattformen bieten viele Möglichkeiten. Der Digitalisierungstrend richtet sich nicht nur an die Hersteller, sondern auch an die Industrie und die Dienstleister. Auch Kleinunternehmen wie KfZ-Werkstätten haben die Möglichkeit, mit einem hohen Digitalisierungsgrad an einem verbesserten und effizienten Service zu verdienen. Insbesondere im Logistikbereich erleichtert ein gut ausgebautes digitales Netzwerk das Verfolgen von Gütern durch die gesamte Logistik-Kette bis zum Endverbraucher. Der Trend „Digital X.0“ kommt mit Sicherheit. „Industrie 4.0“ ist ein Zukunftsprojekt, das die deutsche Wirtschaft und Industrie in die Lage versetzt, sich für die Produktion der Zukunft zu rüsten. Der Begriff geht auf die Geschichte zurück und bedeutet, dass die Wirtschaft auf der Schwelle zur vierten industriellen Revolution steht. Durch das Internet wachsen die reale und die virtuelle Welt immer mehr zusammen. Die Kennzeichen einer zukunftsorientierten Produktion sind individualisierte Produkte, hergestellt zu den Bedingungen einer hoch flexiblen Großserienproduktion. Geschäftspartner und Kunden werden die Wertschöpfungs- und Geschäftsprozesse integriert. Die Produktion wird an hochwertige Dienstleistungen gekoppelt, die in hybriden Produkten mündet.
Die deutsche Industrie und Wirtschaft hat die Chance, die vierte industrielle und digitale Revolution entscheidend mitzugestalten. Dieses Zukunftsprojekt ist mit wirtschafts-, technologie- und gesellschaftspolitischen Perspektiven verbunden. Im Auto- und Maschinenbau hat sich Deutschland bereits eine führende Position im Bereich der softwareintensiven eingebetteten Systeme erarbeitet. Eingebettete IKT-Systeme werden durch Cyber-Physical-Systems untereinander und mit dem Internet vernetzt. Autonome Entscheidungsprozesse und die Entwicklung intelligenter Monitoring-Prozesse werden parallel zu der damit einhergehenden stärkeren Automatisierung immer relevanter, um Wertschöpfungsnetzwerke und Unternehmen in Echtzeit zu optimieren und steuern. Unternehmen müssen mit ihrer Produktion und Logistik Optimierungspotentiale und neue Geschäftsmodelle erschließen. Die Bundesregierung ist hinsichtlich der Themen „Embedded Systems“ und dem „Internet der Dinge“ sehr früh aktiv geworden. Zahlreiche Initiativen wie „Wandelbare Logistiksysteme“, „Next GenerationMedia“ oder „Digitales Produktgedächtnis“ sind entstanden. Bereits vor fünf Jahren haben Experten auf Anfrage der Bundesregierung eine „Nationale Roadmap Embedded Systems“ vorgelegt. Die Forschung in den Bereichen Dienstleistung, Arbeitsgestaltung und Produktherstellung wird neu ausgerichtet. Das Thema „Smart Factory“ legt sein Hauptaugenmerk auf die Realisierung vernetzter und verteilter Produktionsstätten sowie auf intelligente Produktionsverfahren und –systeme. Die „Smart Production“ stellt die Interaktion zwischen Mensch und Maschine und die unternehmensübergreifende Produktionslogistik in den Mittelpunkt.
Das Zukunftsprojekt Industrie 4.0 ist ein innovatives Unternehmen, das Wirtschaft und Industrie vor große Herausforderungen stellt, aber auch ebenso große Chancen bietet. Kleine und mittlere Unternehmen, in denen Tradition mehr Relevanz hat als Innovation, sollen als Anbieter und Anwender von smarten Produktionsmethoden nicht außen vorgelassen werden. Die Forschungsunion Wirtschaft-Wissenschaft unterstützt dieses zukunftsweisende Projekt, für das 200 Millionen Euro an Fördergeldern vorgesehen sind. Kleine Betriebe sollen die Digitalisierung nicht verschlafen.