Wann muss ein Unternehmen einen Europäischen Betriebsrat einrichten?

Wann-muss-ein-Unternehmen-einen-Europaeischen-Betriebsrat-einrichtenDas Thema Europäische Union macht auch vor den Unternehmen nicht Halt. Mit der EU-Richtlinie zum Europäischen Betriebsrat hat die Europäische Union in Brüssel die Rechte des Europäischen Betriebsrates gestärkt. Viele Arbeitnehmer wissen jedoch nicht, dass es eine derartige Institution gibt. Jeder Arbeitnehmer weiß, ob es in seinem Unternehmen einen Betriebsrat gibt oder nicht. Aber einen Europäischen Betriebsrat? Die Institution des Europäischen Betriebsrates ist für die meisten Arbeitnehmer genauso exotisch wie die Europäische Union selbst. Der Europäische Betriebsrat tritt genauso wie der klassische Betriebsrat als Arbeitnehmervertretung auf. Seine Tätigkeit beschränkt sich nicht nur auf die jeweilige Betriebsstätte. Seine Mitglieder agieren grenzüberschreitend in Unternehmen, die nicht nur in Deutschland, sondern EU-weit und im europäischen Wirtschaftsraum agieren und die einen Betriebsrat haben.

Welche Unternehmen müssen einen Europäischen Betriebsrat einrichten?

In Deutschland hat die Richtlinie zum Europäischen Betriebsrat auf mehr als 140 Unternehmen Auswirkungen. In der gesamten Europäischen Union sind von dieser Regelung rund 900 Unternehmen betroffen. Zunächst muss vorweggenommen werden, dass nicht jedes Unternehmen in Deutschland und innerhalb der EU grundsätzlich einen Europäischen Betriebsrat einrichten muss. Auch diese Richtlinie ist mit Rechten, Pflichten und Einschränkungen verbunden. Unternehmen, die gemeinschaftsweit agieren und mindestens 1.000 Mitarbeiter in ihren Unternehmen in der EU beschäftigen, sind verpflichtet, einen Europäischen Betriebsrat einzurichten. Unternehmen, die 150 Mitarbeiter in mindestens zwei Mitgliedstaaten beschäftigen, fallen gleichfalls unter diese Richtlinie. Die Richtlinie zum Europäischen Betriebsrat ist auch auf internationale Konzerne, die innerhalb der EU-Gemeinschaftsstaaten durch Niederlassungen agieren, ihren Sitz jedoch in einem Nicht-EU-Land und/oder außerhalb der europäischen Wirtschaftszone haben, anzuwenden. Der Europäische Betriebsrat hat das Recht, in grenzüberschreitenden Unternehmens- und Mitarbeiterangelegenheiten informiert und angehört zu werden. Im Umkehrschluss heißt das, die Unternehmensleitung hat die Rechte des Europäischen Betriebsrates zu stärken und alles dafür zu tun, dass die Betriebsratsmitglieder ungehindert und gut informiert ihrer Arbeit nachgehen können. Dieses Recht macht den Europäischen Betriebsrat jedoch nicht allmächtig. Seine Rechte beschränken sich auf Entwicklungen und Entscheidungen in grenzüberschreitenden Unternehmensangelegenheiten, die eine direkte Auswirkung auf das Unternehmen, die Unternehmensgruppe und auf die Mitarbeiter haben. Er hat kein Mitbestimmungsrecht.

Fälle, in denen der Europäische Betriebsrat angehört werden muss

  • Verlegung von Unternehmen und einzelner Betriebsstätten in andere EU-Mitgliedstaaten oder Länder
  • Zusammenschluss von Unternehmen
  • Spaltung, Abspaltung oder Teilung von Unternehmen oder Unternehmensteilen

Rechtsgrundlagen und Novellierung

Die Bezeichnung Europäischer Betriebsrat ist rechtlich nicht bindend. Ein Betriebsrat muss nicht in allen Unternehmen zwingend so bezeichnet werden. Die europäische Betriebsratsrichtlinie vom 22.09.1994 wurde als Rechtsgrundlage am 06.05.2009 novelliert und in Deutschland durch das „Gesetz über Europäische Betriebsräte (EBRG)“ vom 28. Oktober 1996 (BGBl. I S. 1548) in nationales Recht umgesetzt. Als Ziel formuliert die Richtlinie „eine grenzüberschreitende Arbeitnehmervertretung mit Konsultations- und Informationsrechten in europaweit tätigen Unternehmen zu schaffen“. 27 Mitgliedstaaten haben mittlerweile diese Richtlinie in nationales Recht umgesetzt, sind dabei jedoch entsprechend ihrer nationalen Präferenzen sehr heterogen vorgegangen. Die EU-Kommission hat mit Einführung dieser Richtlinie die nationalen Präferenzen berücksichtigt, da die Arbeitnehmervertretungen in den verschiedenen EU-Mitgliedstaaten historisch bedingt stark voneinander abweichen und politisch wie wirtschaftlich kaum unter einen „EU-Hut“ zu bekommen sind. Daher sind die einzelnen Mitgliedstaaten mit der Umsetzung der EU-Richtlinie in jeweils nationales Recht lediglich verpflichtet, Minimalanforderungen einzuhalten. Diese Minimalanforderungen zeigen sich insbesondere darin, dass der Europäische Betriebsrat ausschließlich Informations- und Konsultationsrechte, jedoch keine Mitbestimmungsrechte wie die Betriebsräte in deutschen Unternehmen hat. Der europäische Betriebsrat ist mit einem europäischen Wirtschaftsausschuss nach den Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes für Betriebe mit mehr als 100 Mitarbeitern zu vergleichen.

Auf europäischer Ebene ist der Europäische Betriebsrat in der Lage, die Performance internationaler Konzerne empfindlich zu stören, etwa im Rahmen der Vorschriften zur Verhinderung von Insiderhandel gemäß § 13 WpHG. Auch in der Umsetzung dieser Richtlinie in jeweils nationales Recht weichen die einzelnen Mitgliedstaaten voneinander ab. In Österreich vollzog sich diese Umsetzung durch das Arbeitsverfassungsgesetz (Teil V, § § 171 – 207). Die EU-Beitrittsländer aus Mittel- und Osteuropa haben sich die Umsetzung in nationales Recht einfach gemacht, indem sie ihre Arbeitsgesetze entsprechend angepasst, nicht jedoch komplett geändert oder überarbeitet haben. Frankreich hat seit jeher Probleme mit seinen Arbeitnehmervertretungen. Die Unternehmensgesellschaft in unserem Nachbarland ist autoritär aus Richtung der Unternehmerseite geprägt, die sich wenig gesprächsbereit mit den Vertretern der Arbeitnehmer zeigt und vor allem ihre eigenen Interessen gewahrt sehen will. Die Arbeitnehmerseite zeigt sich gerne radikal und scheut nicht vor solchen markanten Mitteln wie illegalen Streiks, Unternehmensbesetzungen und Geiselnahmen von Führungspersonal zurück. Aus diesem Grund gestaltet sich die Umsetzung der Richtlinie zum Europäischen Betriebsrat in Frankreich nicht einfach.

Ergebnis dieser Richtlinie

In den letzten Jahren hat sich der Dialog zwischen Arbeitgeberseite und Arbeitnehmerseite verstärkt, es kam gleichfalls zu vermehrten transatlantischen Kontakten der Mitglieder untereinander. Das Europäische Gewerkschaftsinstitut in Brüssel verzeichnet derzeit 908 europaweit agierende Unternehmen, die einen Europäischen Betriebsrat nach den Bestimmungen der EU-Richtlinie eingerichtet haben.

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