Wenn ein Produkt zum Gattungsbegriff wird

Tempo

Sehr wahrscheinlich war ich nicht das einzige Kleinkind, das genüsslich seinen Kaba trank, auch wenn meine Großmutter mir in Wirklichkeit immer feinste dunkle Trinkschokolade aus der Schweiz zubereitet hat. Noch heute bitte ich um ein Tempo, in Nordamerika auch schon einmal um ein Kleenex, wenn ich ein Papiertaschentuch benötige. Und geklebt wird wahlweise mit Tesa oder Uhu.

Wie wird eine Marke zum Gattungsbegriff?

Immer wieder entwickeln sich generalisierte Markennamen, die stellvertretend für ein ganze Gattung stehen. Wie kommt es eigentlich dazu? Unternehmen, die eine solche Generalisierung ausgelöst haben, ist einiges gemeinsam. Häufig waren es die ersten Produkte auf dem Markt, die einer ganzen Gruppe ihren Namen überstülpten. Ein Beispiel hierfür ist die erste Kopfschmerztablette Aspirin, die noch heute als Synonym für Schmerzmittel aller Art dient. Weitere Voraussetzung ist in aller Regel, dass ein Hersteller, zumindest zeitweise, den jeweiligen Markt dominiert oder aus anderen Gründen eine Sonderstellung einnimmt. So war Natreen zum Beispiel der erste Süßstoff, den es nicht nur in Apotheken, sondern auch im Supermarkt zu kaufen gab. Facebook und Twitter stehen mittlerweile stellvertretend für Social Media, wobei sich dieser Begriff genau genommen erst als Reaktion auf die genannten Dienste herausgebildet hat. Gattungsnamensgeber sind also oftmals auch Branchenpioniere. Sehr häufig spielen aber auch Sprachökonomie und Ästhetik eine Rolle. Generalisierte Markennamen sind meist kürzer und schöner, oder wenigsten prägnanter, als die Gattungsbezeichnung. Jeep klingt einfach cooler als Geländewagen, wird aber langsam von der noch cooleren Abkürzung SUV verdrängt. Als wir anfingen zu googeln, hätten wir auch vom yahooen oder vom alta visten reden können. Einmal laut ausgesprochen wird schnell klar, warum nur eine der Suchmaschinen die Chance hatte, zum Gattungsbegriff zu werden.

Wie profitieren die Hersteller von der Generalisierung ihrer Marke?

Markenartikelhersteller sehen es meist als großen Erfolg, wenn der Markenname in die Alltagssprache einfließt und die Kommunikation über eine ganze Produktgruppe dominiert. Für den Hersteller gehen damit eine Reihe von Vorteilen einher. Konsumenten stilisieren den Gattungsnamensgeber häufig zum qualitativen Marktführer. Sie wollen das Original und keine billige Nachahmung. Auch dann, wenn die generalisierte Marke selbst nur ein Imitat ist. Nougatcreme für Kinder gab es schon lange vor Nutella. Nur wurde keine so erfolgreich auf dem Markt etabliert.

Welche Risiken gehen mit der Generalisierung einher?

Die Generalisierung birgt aber auch Risiken. Wird ein Markenname zur gängigen Bezeichnung einer ganzen Produktgruppe, läuft der Markeninhaber Gefahr, seine Rechte am Markennamen zu verlieren. Googel wehrt sich deshalb schon seit Jahren vehement dagegen, dass googeln als Synonym für die allgemeine Suche im Internet verwandt wird. Auf Drängen des Unternehmens musste sogar ein entsprechender Dudeneintrag wieder geändert werden. Offiziell bedeutet googeln jetzt nur mehr „mit Google im Internet suchen“. Neben dem Verlust des Markenschutzes drohen aber auch noch Imageverluste und dadurch bedingte Umsatzeinbußen, wenn die Produktgattung in Verruf gerät. So wird Limo häufig mit Fanta gleichgesetzt. Warnen Verbraucherschützer öffentlichkeitswirksam vor den Risiken, die mit einem regelmäßigen Verzehr zuckerhaltiger Limonaden einhergehen, haben die Hersteller generalisierter Marken häufig mit einem geradezu schizophrenen Phänomen zu kämpfen. Die Kunden konsumieren weniger Fanta, trinken aber weiterhin andere zuckerhaltige Erfrischungsgetränke, die auch nicht gesünder sind, aber weit weniger stark mit dem Produkt in Verbindung gebracht werden, vor dem gewarnt wird. Manchmal macht ein generalisierter Markenname auch unverschuldet Negativschlagzeilen. Als vor ein paar Jahren nach einem Industrieunfall weite Teile des Rheinlandes nach Liebstöckel rochen, sah sich das Unternehmen Nestlé mit dem Vorwurf konfrontiert, eine stinkende „Maggie-Wolke“ freigesetzt zu haben. Dabei war das Unternehmen für die olfaktorische Verunreinigung gar nicht verantwortlich.

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