Wie das Container-Prinzip die Arbeitswelt revolutionierte

Wie-das-Container-Prinzip-die-Arbeitswelt-revolutionierteEine Blechkiste erobert die Welt

Große Container in den Häfen der Weltstädte wie Hamburg, New York, Hong Kong oder Singapur gehören zu unserem Wirtschaftsalltag dazu. Kaum einer kann sich noch daran erinnern, wie die Logistikwelt vor der Einführung des Container-Prinzips aussah. Ganze Teile der großen Häfen sind mittlerweile zu eigenen Container-Städten angewachsen. Dabei blickt das Container-Prinzip auf eine vergleichsweise kurze Geschichte zurück. Der Amerikaner Malcolm McLean überlegte sich Mitte des letzten Jahrhunderts eine Möglichkeit für die Wirtschaftsteilnehmer, mit der zunehmenden Globalisierung und dem überproportional anwachsenden Güterströmen effizienter umzugehen. Ende der 1930er-Jahre arbeitete er als Fahrer in einem Fuhrunternehmen und ärgerte sich über das umständliche und langwierige Entladen der Fahrzeuge. Bereits zu diesem Zeitpunkt kam ihm die Idee, einen kompletten Auflieger eines Fahrzeugs auf ein Schiff zu verladen und am Zielort erneut auf ein Fahrzeug zu setzen. Dieses neue Be- und Entladesystem vereinfachte den Gütertransport. Dennoch stieß die Idee des findigen Amerikaners auf keine große Gegenliebe, obwohl sie sich gleichfalls problemlos auf Zug und Schiene übertragen ließ. Es gab mehrere Ansätze, größere und praktischere Transportbehältnisse zu entwickeln, doch keines dieser Konzepte setzte sich durch, bis McLean fast zwanzig Jahre später seinen großen Durchbruch mit dem Container-Prinzip feierte.

Die Geschichte des globalisierten Handels ist fast so alt wie die Geschichte der Menschheit. Bereits in der Antike und im alten Venedig trieben die Geschäftsleute über die Grenzen ihrer Heimatstädte- und Länder hinweg Handel. Karawanen und Schiffe brachten begehrte Rohstoffe wie Seide, Gewürze, Tee oder Kaffee aus China und Südostasien nach Europa. Gleichzeitig machten sich Engländer und Spanier daran, die neue, noch unerschlossene Welt jenseits des Atlantiks zu entdecken und schickten abenteuerlustige Eroberer nach Nord-, Mittel- und Südamerika. Ihre Begehrlichkeiten stießen auch auf den unermesslichen Rohstoffreichtum in Afrika. Mit der Einführung der industriellen Revolution Mitte des 19. Jahrhunderts vereinfachte sich der globalisierte Handel zwischen den einzelnen Ländern durch neue Erfindungen wie Dampfschiff, Eisenbahn, Elektrizität, Telefon und Radio. Die Distanzen verkürzten sich, mit der Einführung von Kühlschiffen war es nun auch möglich, leicht verderbliche Ware von einem Teil der Welt in den anderen zu transportieren. Dennoch blieb die reine Transportprozedur aufwendig, denn die Schiffe mussten Sack für Sack und Kiste für Kiste durch Hafenarbeiter unter schwerem körperlichen und zeitraubenden Einsatz entladen werden. War dieser Teil der Entladung geschafft, musste die Ware wiederum genauso aufwendig in das nächste Transportmittel geschafft werden und am Zielort schließlich erneut aus- und umgeladen werden.

Das Prinzip der „gefährlichen Wunderkiste“

Um diesem Transport- und Entladungselend ein Ende zu setzen, erfand Malcolm McLean um 1955 das Prinzip genormter Metallbehälter, die an den Zwischenstationen nicht entladen wurden, sondern mit samt ihrem Inhalt durch Frachter auf Sattelschleppern umgehend auf das nächste bereitstehende Transportmittel umgeladen wurden. Durch diese genormten Metallcontainer verbilligte und beschleunigte sich der Handel entscheidend. Schon bald waren Millionen dieser Metallbehälter auf dem See- und Landweg unterwegs. In den 1990er-Jahren verband sich dieses Container-Prinzip zusammen mit der weiteren revolutionären Erfindung Internet zu einem unglaublichen Synergieeffekt. Zusammen eroberten das Internet im Bereich der Kommunikation und die Metallbehälter in der physischen Welt die globalisierte Wirtschaftswelt in einer nie zuvor dagewesenen Art und Weise. Der internationale Nachrichtenaustausch, die Auftragsvergabe und Auftragsannahme, die Abstimmungen über Lieferungen, Verträge und Produkte zwischen den Geschäftspartnern vereinfachte sich, der Zeitfaktor spielte jetzt keine prekäre Rolle mehr.

Bereits seit Mitte des letzten Jahrhunderts haben Politiker eine engere Verzahnung der nationalen Ökonomien und eine Zunahme der weltweiten Handelsströme durch Senkung der Zölle und Abbau von Einfuhrbeschränkungen bewusst herbeigeführt. In Lateinamerika, Ostasien und Afrika haben sich in den letzten Jahrzehnten viele schmuck- und fensterlose Fabriken in den Randbereichen der Häfen angesiedelt, um von dem Container-Prinzip und den kurzen Verlade- und Lieferzeiten zu profitieren. In diesen trostlosen Fabriken entstehen die Waren, um den steigenden Konsumbedarf der westlichen Welt zu decken. Mit dem vereinfachten globalisierten Handel durch das Container-Prinzip und der Erfindung des Internets haben sich so viele Unternehmen wie nie zuvor mit ihren Tochtergesellschaften im Ausland angesiedelt. Alleine in den letzten Jahren wurden Waren im Wert von 18 Billionen Dollar global gehandelt und grenzüberschreitend in den Container-Städten verladen. Diese Summe entspricht einem Viertel der weltweiten Wirtschaftsleistung.

Fußnote

Malcolm McLean hatte inzwischen ein Vermögen mit seinen revolutionären Transportideen gemacht. Mit seinem Containerexperiment ging er ein großes unternehmerisches Risiko ein, denn die Fachwelt blieb skeptisch, die europäische Wirtschaftswelt lachte ihn gar aus. Aufgrund der kartellrechtlichen Vorschriften durfte McLean als Spediteur zeitgleich keine Schifffahrtslinie unterhalten. Um dieses Hindernis zu umgehen, verkaufte er sein Fuhrunternehmen und erwarb die Reederei Pan-Pazifik. Zwei Jahre nach der Einführung des Container-Prinzips richtete er den ersten Liniendienst ein, 1960 wurde das Unternehmen in Sea-Land Corporation umbenannt. McLean investierte fortlaufend in seine neue Erfindung, schaffte Lastwagen, Kräne und Container an. Die Decke der Schiffe ließ er mit einer zusätzlichen Stahlschicht verstärken, damit sie die daran befestigten Lastkräne halten konnten.

Seine Lastkraftwagen waren nun seetauglich. In den Folgejahren wurden seine Schiffe immer größer, seine Stückgutfrachter waren in der Lage, 226 Container zu fassen. Trotz dieser amerikanischen Erfolgsgeschichte belächelten Fachleute in Europa noch immer die „Schachtelschiffe“. Traditionsreiche und erfolgreiche Speditionshäuser fürchteten die amerikanische Konkurrenz, für sie war die amerikanische Wunderkiste der Nagel zum Sarg der europäischen Reedereien. Wiederholt verkündeten sie, dieses rein amerikanische Prinzip ließe sich nicht auf den europäischen Markt übertragen, es handele sich um ein reines Nischenprodukt. McLeans Schiffe fuhren jetzt jedoch nicht mehr ausschließlich für den amerikanischen Markt, sondern erfreuten sich einem weltweiten Erfolg. Mit diesen Aufträgen verdiente er mehr als 450 Millionen Dollar. Die europäische Reedereiszene sah sich gezwungen, ihren Protest gegen dieses Nischenprodukt einzustellen. Dennoch fürchtete sie die „gefährliche Kiste“ weiterhin, orakelte gar über das große Hafen- und Reedereisterben in Europa. Die gefährlichen Kisten brachen jedoch eine nicht mehr aufzuhaltende Lawine und Aufholjagd los. Ende der 1960er-Jahre stellten sich die europäischen Reeder dieser neuen Geschäftsidee und übernahmen das Container-Prinzip. Ein Container-Schiff ersetzte drei herkömmliche Frachter.

Der Siegeszug der „gefährlichen Wunderkiste“ war nun nicht mehr aufzuhalten. Ein großer Hafenboom statt das große Hafensterben trat ein. Ende der 1960er-Jahre verkaufte McLean das Unternehmen an die R. J. Reynolds Tobacco Company und gründete in den nachfolgenden Jahren weitere erfolgreiche Speditionsunternehmen. Er starb im Jahr 2001 im Alter von 88 Jahren und wurde drei Jahre später posthum für seine Leistungen und Verdienste für Amerika und die globale Wirtschaft geehrt, indem er in die „Logistik Hall of Fame“ aufgenommen wurde.

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