Häufig wird im Handel und bezüglich der Banken von einem Filialnetz gesprochen. Aber was ist eigentlich eine Filiale?
Nahezu jedes Handelsunternehmen beginnt seine unternehmerische Tätigkeit mit einem Firmensitz in Form eines kleinen Ladens. Dies kann ein Großhandelsgeschäft oder ein Verkaufsladen im Einzelhandel sein. Häufig tritt diese Konstellation auch ein, wenn ein produzierendes Unternehmen seinen eigenen Fabrikverkauf am Firmenstandort betreibt.
Das Unternehmen wächst allmählich und die Verkaufszahlen fordern geradezu zur Expansion heraus. Der Groß- oder Einzelhändler stellt fest, dass seine attraktiven Angebote Kunden aus immer weiter entfernten Regionen anziehen. Spätestens dann tritt ein ungeschriebenes Gesetz der Wirtschaft in den Vordergrund. Es heißt „Stillstand bedeutet Rückschritt.“ Wenn der Unternehmer nicht auf die erhöhte Nachfrage reagiert, wird er irgendwann seine gerade neu gewonnenen Kunden wieder verlieren. Seine Mitbewerber sind hellwach und werden versuchen, mit den gleichen attraktiven Angeboten, aber kürzeren Fahrtwegen diese Kunden abzuwerben. Es kann sogar geschehen, dass sich ein Teil seiner Stammkundschaft ebenfalls von ihm abwendet, um Neues auszuprobieren. Die Gründung von Filialen ist nahezu unerlässlich.
Besagter Unternehmer oder Banker, der sich zur Expansion entschlossen hat, will seinen Kunden aus weiter entfernten Regionen räumlich näher kommen. Deshalb organisiert er sich dort, wo er diese Kunden hinzugewonnen hatte, Räumlichkeiten und eröffnet eine Zweigniederlassung. Dies ist die klassische Form der Filiale. Sie bietet die gleichen Voraussetzungen und das gleiche Sortiment wie das Hauptgeschäft. Der Sitz der Filiale befindet sich aber dort, wo das Kundenpotenzial vorhanden ist. Erfolgreiche Unternehmen werden auch an diesem Filialsitz wieder Kunden aus noch weiter entfernt liegenden Regionen anziehen. Der Prozess wiederholt sich. Jedoch ist diese erneute Filiale nicht ihrer Ausgangsfiliale unterstellt, sondern ebenfalls dem Hauptgeschäft. Dieser Hauptsitz entwickelt infolge dieser fortschreitenden Expansion ein immer größeres Filialnetz, das sich auch durch Ländergrenzen nicht einschränken lässt.
Im Bankensektor ist dieser Prozess der Entwicklung ähnlich. Auch eine Bank hat ursprünglich mit ihrem Hauptsitz als einzigem Standort begonnen. Starke Kundennachfrage, aber auch die Reaktion auf die Entwicklung der Mitbewerber, führt zur Entstehung von immer neuen Filialen.
Filialen sind aus rechtlicher Sicht keine selbstständigen Tochterunternehmen, sondern sind unselbstständig in das Hauptunternehmen integriert. Aus buchhalterischer Sicht rechnet jede Filiale ihr Betriebsergebnis selbst ab. Dies ist sinnvoll, um die Wirtschaftlichkeit jeder Filiale überprüfen zu können und gegebenenfalls Veränderungen vorzunehmen. Das Betriebsergebnis aller Filialen fließt jedoch in das Gesamtergebnis des Unternehmens ein.
Unternehmen, die Filialen betreiben, werden auch als Filialunternehmen, Filialisten oder Mehrbetriebsunternehmen bezeichnet. Jede dieser Filialen wird von Filialleiter/innen geführt und ihnen unterstehen aus organisatorischer Sicht alle sonstigen Angestellten. Sie selbst sind Angestellte des Hauptunternehmens und auch ihre Mitarbeiter haben ihren Arbeitsvertrag mit dem Hauptunternehmen abgeschlossen.
Filialen haben dementsprechend keine Eigenständigkeit, sondern sind lediglich räumlich vom Hauptsitz des Unternehmens abgegrenzt.
Mit der Gründung von Filialen gehen expandierende Unternehmer ein mehr oder weniger großes Risiko ein. Keiner von ihnen ist in der Lage, jede seiner Filialen ständig kontrollieren zu können. Fehler im Management der Filiale, falsch platzierte Ware, Kundenunzufriedenheit und andere Dinge dringen häufig erst bis zum Unternehmer vor, wenn bereits ein Schaden und Imageverlust entstanden ist. Deshalb sind die Filialleiter/innen hochgradige Vertrauenspersonen, die die Interessen des Unternehmens am Filialsitz mit höchster Kompetenz durchsetzen müssen. Sie sind es, die ihren Mitarbeitern auch unpopuläre Maßnahmen zu vermitteln haben.
Deshalb gehen manche Unternehmer den Weg des Franchisings. Sie wissen, dass ihre Geschäftsidee funktioniert und erfolgreich ist. Deshalb verkaufen sie ihr Know-how an gründungswillige Jungunternehmer ohne eigene Geschäftsidee. Auch mit ihnen gehen sie das Risiko der ungenügenden Umsetzung ein. Kann sich das Franchiseunternehmen nicht etablieren und bleibt erfolglos, stehen sie jedoch nicht für dessen finanziellen Verlust ein. Dennoch liegt der mögliche Gewinn mit eigenen Filialen mehrheitlich höher als im Franchisegeschäft.