Kündigung: Privatbrief ist keine rechtsgültige Kündigung

Kuendigung-Privatbrief-ist-keine-rechtsgueltige-KuendigungErfolgt eine schriftliche Kündigung des Arbeitnehmers an seinen Arbeitgeber, ist diese rechtskräftig, sollte man zumindest meinen. Die Richter des Arbeitsgerichts Frankfurt/Main sind zu einem anderen Schluss gekommen. Es kommt auf die individuellen Umstände an, unter denen die Kündigung des Arbeitnehmers erfolgt. Der Arbeitnehmer stand als Sozialpädagoge in einem befristeten Arbeitsverhältnis in einer Berufsbildungseinrichtung. Mit einem handschriftlich verfassten Schreiben erklärte er seinem Arbeitgeber, er wolle umgehend aus dem Arbeitshilfsprojekt, für das er eingestellt worden sei, aussteigen. Der Arbeitgeber bewertete dieses an seine private Anschrift adressierte Schreiben als Eigenkündigung seines Mitarbeiters und zog die arbeitsrechtlichen Konsequenzen. Er nahm die Eigenkündigung seines Mitarbeiters an und weigerte sich, ihn weiterhin in der Berufsbildungseinrichtung zu beschäftigen und ihm seine Arbeitsbezüge zu zahlen. Der Arbeitnehmer wendete sich vor dem Arbeitsgericht gegen die „Kündigung“ seines Arbeitgebers mit der Begründung, er habe sein an die Privatadresse des Arbeitgebers handschriftlich angefertigtes Schreiben nicht als Eigenkündigung ausgelegt. Die Richter gaben dem Kläger Recht und stellten fest, das Schreiben des Mitarbeiters an seinen Arbeitgeber habe einen freundschaftlichen Charakter und könne daher nicht als rechtswirksame Eigenkündigung gewertet werden. Dem Schreiben fehle der eindeutige Kündigungswillen (§ 133 BGB). Die Anrede „Liebe Regine“ unterstütze dabei den Eindruck eines eindeutig freundschaftlichen Charakters und sei als Privatschreiben zu werten. Ohne eine entsprechende Willenserklärung könne eine rechtswirksame Eigenkündigung des Arbeitnehmers nicht erfolgen. Der Arbeitgeber wurde verpflichtet, seinen Arbeitnehmer bis zum Ende des befristeten Arbeitsverhältnisses zu beschäftigen und ihm seine Arbeitsbezüge zu zahlen. (Urteil vom 18.09.2002, Az.: 6 Ca 4777/02)

Der „wirkliche Wille“ zählt

Nach diesem Rechtsgrundsatz waren die Richter verpflichtet, den tatsächlichen Willen des Klägers zu erforschen und nicht buchstäblich an der Sinnauslegung des Begriffs „umgehend“ zu haften. Nach dem Rechtsgrundsatz der Auslegung von Willenserklärungen beabsichtigt der Erklärende, einen bestimmten Rechtserfolg herbeizuführen. Dieser Rechtserfolg kann sich jedoch nur dann einstellen, wenn der Adressat der Willenserklärung die eindeutige Absicht des Verfassers erkennt. Bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen kommt es regelmäßig zu entgegengesetzten Interessen betreffend die Interpretation der Willenserklärung. Der Erklärende ist daran interessiert, dass sein Wille maßgeblich ist, selbst dann, wenn er nur unzureichend formuliert ist. Der Adressat ist daran interessiert, die Willenserklärung ausschließlich so auszulegen, wie er sie versteht. In diesem Fall wollte der Arbeitnehmer erreichen, dass der Arbeitgeber ihn aus einem bestimmten Projekt, nicht jedoch aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis entlässt. Der Arbeitgeber interpretierte das Schreiben des Arbeitnehmers als außerordentliche Kündigung und bestand vor dem Arbeitsgericht auf dieser Auslegung. Der Gesetzgeber hat durch den Rechtsgrundsatz des § 133 BGB Abhilfe geschaffen und den Richtern die Möglichkeit gegeben, den „wirklichen Willen“ des Arbeitnehmers zu erforschen.

Arbeitsrechtlich muss die Kündigung durch den Arbeitnehmer klar und eindeutig formuliert sein. Unklarheiten können sowohl zu Lasten des Arbeitnehmers als auch des Arbeitgebers, wie in diesem Fall, gehen. Eine ordentliche Kündigung hat schriftlich zu erfolgen. Der Arbeitnehmer muss ein eindeutig formuliertes Datum angeben, an dem das Arbeitsverhältnis enden soll. Er hat sich an die tarifvertraglichen, die gesetzlichen oder die einzelvertraglichen Kündigungsfristen zu halten. Der Privatbrief des Klägers enthält kein eindeutiges Kündigungsdatum, das sich an die zuvor genannten Fristen hält. Die Formulierung, er wolle umgehend aus dem Arbeitshilfsprojekt aussteigen, ist keine eindeutige Formulierung, die den arbeitsrechtlichen Anforderungen genügt.

Fristlose Kündigung nicht möglich

Eine fristlose Kündigung durch den Arbeitnehmer und den Arbeitgeber kann nur unter strengen arbeitsrechtlichen Regelungen erfolgen, um Rechtswirksamkeit zu erlangen (§ 626 BGB). In diesem Fall hätte der Kläger eine außerordentliche fristlose Kündigung schriftlich an die Unternehmensanschrift seines Arbeitgebers richten müssen. Eine derartige Kündigung ist jedoch nur möglich, wenn dem Arbeitnehmer eine Weiterbeschäftigung im Betrieb seines Arbeitgebers nicht zugemutet werden kann. Die außerordentliche Kündigung muss für den Arbeitnehmer die letzte unausweichliche Konsequenz sein. Zuvor muss der Arbeitnehmer alle ihm zur Verfügung stehenden milderen Mittel ausgeschöpft haben. Als Begründung für eine außerordentliche Kündigung werden die Nichtzahlung von Arbeitnehmerbezügen, grob fahrlässige oder vorsätzliche Gefährdung von Leib und Leben durch den Arbeitgeber, Straftaten des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer und regelmäßige Überschreitung der Höchstarbeitszeiten anerkannt. Diese Umstände konnten die Richter bei dem Kläger nicht feststellen. Aus diesem Grund war das Schreiben des Klägers mit der Formulierung „umgehend“ nicht als außerordentliche Kündigung zu werten.

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